Der Finanzplatz soll grüner werden
Von Angela Wefers, Berlin
Deutschland soll zu einem führenden Finanzstandort für Sustainable Finance ausgebaut werden – das hat die noch amtierende Bundesregierung bereits im Februar 2019 beschlossen. Nachholbedarf besteht aber auch für die neue Bundesregierung, denn erst im Mai dieses Jahres wurde es konkreter: Schwarz-Rot verständigte sich auf eine Sustainable-Finance-Strategie. Dazwischen lieferte ein Expertenbeirat zu. Die Strategie kam allerdings deutlich zu spät. Zeit zum Umsetzen blieb zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr, Sustainable Finance aber bei allen Parteien – mit Ausnahme der AfD – auf der Agenda. Die sehr unterschiedlichen Ideen in den Wahlprogrammen reichen von Investitionslenkung bis zu Marktanreizen, die auch in den Koalitionsverhandlungen in den nächsten Wochen eine Rolle spielen dürften.
Dies betrifft vor allem die verschiedenen Rollen des Staates in Bezug auf Sustainable Finance: den Gesetzgeber und Regulierer, den Emittenten am Kapitalmarkt und den Anleger seiner eigenen Gelder – etwa für Beamtenversorgung oder Atommüllentsorgung. Mit der neuen Regierungsstrategie hatte die Regierung das Ziel ausgerufen, den Bund „als Vorbild für Sustainable Finance im Finanzsystem“ zu etablieren. Der Finanzstandort Deutschland soll gestärkt und damit Expertise ausgebaut werden. Von der Finanzindustrie erwartet die Regierung, dass sie ihre eigenen Nachhaltigkeitsrisiken „angemessen managt“ und die Transformation der Industrie mitfinanziert.
Ganz auf diesem allgemein formulierten Kurs liegt mit ihrem Wahlprogramm die CDU/CSU. Sie will den Finanzplatz für Nachhaltigkeit voranbringen, wird aber kaum konkreter. Erleichterungen in der Finanzmarktregulierung zugunsten von Umwelt und Klima lehnt die Union ab, ließ sie das Forum Nachhaltige Geldanlage wissen. Regulierung müsse sich allein am ökonomischen Risiko orientieren. Dies steht im Gegensatz zur Hoffnung der privaten Banken auf Eigenkapitalerleichterungen, um die Transformation zur Klimaneutralität stärker mitfinanzieren zu können. Inwieweit Rücklagen des Bundes und der Sozialversicherung in nachhaltigen Finanzprodukten angelegt werden, will die CDU/CSU erst noch prüfen. Staatliche Investitionslenkung in Richtung nachhaltige Wirtschaft lehnt sie ab.
SPD und Grünen sehen den Finanzsektor als Katalysator, um Investitionen in die Klimaneutralität zu finanzieren. Staatlicherseits sollen grüne Bundesanleihen den Prozess beschleunigen. „Um den Finanzstandort Deutschland zum Motor einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft in Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen zu machen, werden wir künftig noch mehr nachhaltige Staatsanleihen auflegen und auf weitere als nachhaltig zertifizierte Finanzprodukte hinwirken“, schreibt die SPD und beschränkt sich weitgehend auf diese Aussage. 2020 war die erste grüne Bundesanleihe an den Markt gegangen und der Bundeshaushalt erstmals nach grünen Ausgaben durchforstet worden.
Mehr grüne Bundesanleihen unterstützt auch Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Die Partei will zugleich über staatliche Investitionen die Wirtschaft lenken. Sie beklagt im Wahlprogramm, dass noch immer „Milliarden in fossile Energien und Geschäftsmodelle“ fließen, die Ökosysteme zerstören und Menschenrechte verletzen. „Wir werden durchsetzen, dass sich die öffentliche Hand vollständig aus diesen Investitionen zurückzieht, wenn weiterhin keine verlässlichen Schritte für eine nachhaltige Transformation der dahinterstehenden Unternehmen eingeleitet werden.“ Öffentlich-rechtliche Banken, Versicherer und Pensionsfonds sowie den Bund als Investor und Miteigentümer von Unternehmen nehmen die Grünen in die Pflicht: Sie müssten Vorreiter bei der grünen Finanzwende sein. In ihren eigenen Bilanzen sollen Banken und Versicherer Klima- und Umweltrisiken offen- und mit Eigenkapital unterlegen, heißt es. Die Grünen sprechen sich für eine europäische Zertifizierung nachhaltiger Finanzprodukte aus, um so „Kapital von schmutzigen in grüne und nachhaltige Investitionen“ umzulenken. Über die Nachhaltigkeit wachen soll die Finanzaufsicht BaFin.
Die Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung reicht den Grünen nicht aus. Mehr Vorschläge aus Industrie und Finanzsektor, Wissenschaft und Zivilgesellschaft müssten dort berücksichtigt werden, verlangen sie. Den Expertenbeirat wird es freuen, hatte er doch deutlich mehr geliefert, als in die Strategie einging.
Die Linke dringt nur auf einen Finanz-TÜV: Produkte und Transaktionen will die Partei nur dann erlauben, wenn sie einen „gesamtwirtschaftlichen und/oder gesellschaftlichen Nutzen stiften“ – und sie müssen ausdrücklich zugelassen werden.
Klare Kriterien sind gefragt
Lenkungsüberlegungen sind der FDP naturgemäß fremd. Sie setzt auch bei Sustainable Finance auf Marktwirtschaft und legte eine zentrale der Schwächen der Strategie der Bundesregierung offen: Wer zum führenden Standort für Nachhaltige Finanzen aufsteigen will, muss auch Kriterien und Ziele dafür liefern, die sich messen lassen. Anders als SPD und Grüne hängen die Liberalen Nachhaltigkeitsaspekte in der Anlageberatung nicht hoch. Der Anleger soll selbst entscheiden.
Gerade auf der Investorenseite werden aber Defizite beklagt, die bei der Sicht der Parteien auf einen nachhaltigen Finanzmarkt unterbelichtet bleiben. So spricht sich der Assetmanagementverband BVI dezidiert gegen nationale Sonderwege aus und plädiert für harmonisierte europäische und globale Nachhaltigkeitsregeln. Dafür solle sich die neue Regierung einsetzen. Nötig sei es, die ESG-Datenlücken (Environment Social Governance) vor allem bei außereuropäischen Unternehmen zu schließen. Assetmanager brauchen auf keinen Fall starre Vorgaben, ist der BVI überzeugt. Nur wenn Anleger über die Investitionen entscheiden, setzten sie sich auch intensiv mit der Nachhaltigkeit der Unternehmen auseinander.