Deutlicher Umsatzschwund im deutschen Einzelhandel
Einzelhandel ausgebremst
Unerwartet kräftiger Umsatzrückgang − Verunsicherung hemmt − IAB-Arbeitsmarktbarometer sinkt
ba Frankfurt
Der deutsche Einzelhandel verpatzt den Start ins zweite Quartal: Die Erlöse sinken unerwartet kräftig, vor allem bei den Lebensmitteln. Zudem ebbt der Rückenwind vom Jobmarkt ab, wie das IAB-Arbeitsmarktbarometer andeutet. Ein schlechtes Omen, ruhen die Aufschwungshoffnungen doch auf dem Privatkonsum.
Das Frühjahr beginnt für die deutschen Einzelhändler enttäuschend: Ökonomen hatten zwar einen Umsatzrückgang prognostiziert, im April fiel dieser dann aber unerwartet kräftig aus. Und auch die Hoffnungen auf die anstehende Fußball-EM sollten nicht allzu hochgeschraubt werden, denn trotz der jüngsten Stimmungsaufhellung bewegt sich das Konsumklima auf weiter niedrigem Niveau. Zudem deuten Frühindikatoren an, dass der Rückenwind für den privaten Konsum vom bislang robusten Jobmarkt weiter nachlassen dürfte − dabei ruhen die Wachstumserwartungen zu einem Großteil auf den Verbrauchern, deren Kaufkraft bei nachlassender Inflation und gleichzeitigen Lohnsteigerungen zunehmen sollte.
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) fielen im April die Einzelhandelserlöse preis-, kalender- und saisonbereinigt um 1,2% im Monatsvergleich. Erwartet wurde lediglich ein Minus von 0,1%. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ergibt sich ein Rückgang um real 0,6%. Nominal, also einschließlich der höheren Preise, sanken die Umsätze gegenüber März um 1,4%. Für den Jahresvergleich weisen die Wiesbadener Statistiker ein Umsatzwachstum von 1,0% aus.
Bei Lebensmitteln wird gespart
Während der Internet- und Versandhandel real um 2,9% im Monatsvergleich zulegte, steigerte der Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln die Erlöse um 0,2%. Kräftig gespart wurde hingegen bei Lebensmitteln, Getränken und Tabakwaren: Hier gingen die Umsätze um 3,7% zurück.
Der Posten Nahrungsmittel und Bekleidung war auch derjenige, bei dem Destatis zufolge die Kaufzurückhaltung der Verbraucher im ersten Quartal am stärksten zu spüren war. Der private Konsum war um 0,4% im Quartalsvergleich geschrumpft und hatte damit das Wirtschaftswachstum gebremst. Die Sparquote übertraf in den drei Monaten bis März mit 14,9% den historischen Schnitt von 11% zudem deutlich. Und dies, obwohl die Reallöhne mit 3,8% so stark gestiegen waren wie noch nie seit Beginn der Statistik 2008. Insgesamt legte das Bruttoinlandsprodukt aber um 0,2% zu.
Verunsicherung hemmt
Einen Ausblick gab das am Montag veröffentlichte Ifo-Geschäftsklima: Im Einzelhandel gehe es zwar leicht bergauf, doch gebe es „noch Luft nach oben“, kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Die Verbraucher halten sich noch zurück.“ Die Nürnberger Marktforscher GfK und NIM führen dies auf die nach wie vor bestehende starke Verunsicherung der Verbraucher zurück. Nach wie vor fehlten klare Zukunftsperspektiven im Land, was zu geringer Planungssicherheit bei Anschaffungen führt, erklärte NIM-Experte Rolf Bürkl: „Nur wenn für die Menschen diese Sicherheit zurückkehrt, werden sie auch bereit sein, ihre steigende Kaufkraft wieder in größere Anschaffungen zu investieren.“ Das für Juni prognostizierte GfK-Konsumklima legte zwar erneut zu und das Barometer notiert mit minus 20,9 Punkten so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr, verharrt damit aber weiter tief im roten Bereich.
Impulse durch Europameisterschaft erhofft
Der Handel setzt nun auf die in zwei Wochen beginnende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Die Bundesbank etwa erwartet zwar kein Konsumfeuerwerk, aber einen positiven Effekt auf die Konsumstimmung, wie Reuters berichtet. Es bestehe „durchaus die Chance, dass sich die derzeit noch sehr verhaltene Konsumstimmung in Deutschland im Kontext der EM rascher aufhellt, als wir es derzeit auf Basis der verfügbaren Indikatoren erwarten“, so die Bundesbank. Der Einzelhandelsverband HDE rechnet mit zusätzlichen Umsätzen von 3,8 Mrd. Euro durch das Turnier, das vom 14. Juni bis 14. Juli ausgetragen wird. Profitieren dürften erfahrungsgemäß vor allem die Verkäufer von Fernsehern, Grillgut, Snacks und Getränken. Im Gastgewerbe sind es laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) gerade einmal 15,5%, die einen positiven Effekt erwarten. Letztlich hängt aber auch viel vom Wetter und dem Abschneiden der Nationalelf ab.
Kein Rückenwind vom Jobmarkt
Trüber wird nun auch die Lage auf dem Jobmarkt, wie entsprechende Frühindikatoren zeigen. So ist das IAB-Arbeitsmarktbarometer um 0,8 auf 99,8 Punkte und damit unter den neutralen Wert von 100 gesunken. Der Frühindikator des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) befindet sich mit jetzt auch 99,8 Punkten ebenfalls unter dem Wert von 100. Sowohl die Beschäftigungskomponente als auch jene zur Vorhersage der Arbeitslosigkeit haben nachgegeben. „Der Arbeitsmarkt hatte die Wirtschaftsschwäche weitgehend ausgesessen. Dafür gibt es mit den ersten Anzeichen eines Aufschwungs jetzt aber auch wenig Erholungspotenzial“, erklärte dazu IAB-Experte Enzo Weber. So sei die Beschäftigung auch im Konjunkturabschwung weiter gestiegen, die Produktivität aber gesunken. Eine Rolle für die gedämpften Arbeitsmarktaussichten könne auch spielen, dass die Frühjahrsbelebung durch den milden Winter schon teilweise vorweggenommen wurde. „Als Zugpferd für einen Wirtschaftsaufschwung kommt der Arbeitsmarkt derzeit nicht infrage“, sagte Weber. Es komme zuallererst auf Investition, Innovation und Transformation an.
Ähnliche Signale kommen vom European Labour Market Barometer, das nach drei Anstiegen in Folge gefallen ist, und zwar um 0,7 auf 99,8 Punkte. „Die europäischen Arbeitsmärkte treten auf der Stelle“, sagt Weber.