Künstliche Intelligenz

Deutsche Unternehmen blicken kritisch auf die KI-Regulierung der EU

Die neue KI-Gesetzgebung der EU gibt zwar den Rahmen vor, zugleich ist die Verordnung sehr unscharf gehalten, was Unternehmen angesichts hoher Strafandrohungen verunsichert.

Deutsche Unternehmen blicken kritisch auf die KI-Regulierung der EU

Brüsseler AI Act sorgt für Verunsicherung

Deutsche Unternehmen zögern bei Umsetzung, weil Vorgaben oft schwierig umzusetzen sind – Hohe Strafandrohungen

Die neue KI-Gesetzgebung der EU gibt zwar den Rahmen vor, zugleich ist die Verordnung aber sehr unscharf gehalten, was Unternehmen angesichts hoher Strafandrohungen irritiert. Erheblicher Aufwand und Unklarheit über Bestimmungen führen zu Attentismus und mindern erhoffte positive Wirkungen auf den Standort.

lz Frankfurt

Die neue EU-Verordnung zur künstlichen Intelligenz (AI Act) stößt bei deutschen Unternehmen auf Skepsis und verunsichert die Mitarbeiter, weil viele Bestimmungen im Unklaren bleiben, genaue Vorgaben fehlen, aber gleichwohl hohe Strafen bei Nichterfüllung der regulatorischen Pflichten drohen. Das signalisiert eine Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte unter 500 Managern, die sich in den Unternehmen mit dem Thema beschäftigen. Eine große Mehrheit ist zudem der Meinung, dass der Act in der aktuellen Version eher ein Hindernis für die KI-Entwicklung darstellt, als dass er die Einführung beschleunigt.

Mit der Ratifizierung des AI Act der EU hat sich die Lage für europäische Firmen grundlegend geändert: Die regulatorischen Vorgaben Brüssels sind für alle EU-Länder verpflichtend und müssen zumeist in den kommenden zwei Jahren umgesetzt werden. „Zögern in der Auseinandersetzung mit dem EU AI Act ist gefährlich“, warnt Till Contzen, Partner im Tax- und Legal-Bereich bei Deloitte. Werden etwa verbotene KI-Systeme genutzt, drohen Strafen von 7% des Umsatzes. Verstöße gegen die Verpflichtungen der Verordnung werden mit 3% des Umsatzes geahndet, und bei Angabe falscher Informationen sind es 1,5%.

Hohe Strafen drohen

„Die Umsetzung der Anforderungen wird je nach Umfang der KI-Nutzung in einem Unternehmen einen erheblichen Aufwand mit sich bringen – zumal viele Unternehmen nicht einmal wissen, wie viel KI sie genau nutzen.“ Es drohe eine Situation vergleichbar mit der Umsetzung der DSGVO, als die Unternehmen im Mai 2018 vor einer riesigen Aufgabe standen, da sie die zwei Jahre Übergangsfrist kaum genutzt hatten. Zudem drohten bei Verstößen hohe Geldstrafen.

Vergleich mit DSGVO

Recht heterogen ist das Bild bei der Frage, ob der AI Act zu eher mehr oder eher weniger Vertrauen in KI führen wird: Hier glaubt rund ein Drittel der Befragten (34,9%) an einen positiven Effekt, fast ebenso viele (30,8%) können den aber nicht erkennen. Unterm Strich sieht fast die Hälfte (47,4%) im AI Act eher ein Hindernis bei Forschung und Entwicklung (F&E) sowie der Einführung von KI-Anwendungen in Unternehmen; nur ein Viertel (24,1%) ist überzeugt, dass die neue Regulatorik tatsächlich wie erhofft die Markterschließung beschleunigt.

Die Skepsis geht offenbar mit einem hohen Maß an Attentismus einher: Obwohl der AI Act seit Anfang August bereits in Kraft ist, haben sich 48,6% der befragten Unternehmen noch nicht intensiv auf die Umsetzung vorbereitet; gerade mal 26,2% sind tiefer in das Thema eingedrungen. Dennoch fühlen sich 35,7% der Befragten gut dafür gewappnet, den AI Act umzusetzen, 19,4% sehen sich eher schlecht präpariert. Zugleich fürchten 52,3% eine Einschränkung ihrer Innovationsmöglichkeit im Bereich KI durch die Regulierung; nur 18,5% glauben, dass die Verordnung die Innovationsmöglichkeiten positiv beeinflusst. „Die teils wohl bewusst unklaren Regelungen des AI Act machen eine Auslegung nicht immer leicht“, sagt Contzen. „Allerdings ist dies ein Fortschritt gegenüber den Schwierigkeiten eines unregulierten Zustandes, in dem die Grenzen nur erahnt werden können und die Unternehmen und die Industrie auf sich allein gestellt sind.“ 

Unscharfe Regelungen

Eine angemessene Regulierung könne zwar Vertrauen herstellen, betont Sarah Becker, die das Thema Digital Ethics bei Deloitte betreut, gleichzeitig bestehe aber die Gefahr, die Innovationskraft zu schwächen. Wo die Grenzen der Regulierung sind, werde sich aufgrund der vielen auslegungsbedürftigen Regelungen erst noch zeigen müssen. Grundsätzlich jedoch wirke eine Regulierung allein durch das Setzen eines Rahmens erst einmal vertrauensbildend.

Kritische Phase von KI

Eine globale Studie „State of GenAI in the Enterprise“, für die Deloitte knapp 2.800 Führungskräfte aus 14 Ländern befragt hat, zeigt, dass die Einführung generativer KI (GenAI) aktuell in einer kritischen Phase steckt: Die Erwartungen an die transformative Wirkung und die Skalierung sind hoch, zugleich erweisen sich die Implementationen als überaus komplex. Um die Anwendungen realitätsbezogener zu gestalten, müsse man weiter investieren, das Geld aber fließt erst, wenn der Nachweis für den Wert von KI geführt werden kann. Die Unternehmen stecken also in einer Zwickmühle.