Deutsche Wirtschaft in trübem Herbstwetter gefangen
Deutsche Wirtschaft in trübem Herbstwetter gefangen
ZEW-Konjunkturerwartungen legen etwas zu − Allianz Trade erhöht Insolvenzprognose − Euro-Industrie produziert mehr
ba Frankfurt
Der Blick auf die anstehende EZB-Zinssenkung und positive Signale aus wichtigen deutschen Exportländern haben bei Analysten für etwas mehr Optimismus gesorgt. Bei den Unternehmen bleibt derweil die Skepsis bestehen und der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet mehr Insolvenzen als bislang.
Börsianer sind im Oktober wieder etwas zuversichtlicher für die weitere konjunkturelle Entwicklung in Deutschland. Die aktuelle Lage allerdings wird erneut kritischer beäugt, wie die monatliche ZEW-Umfrage ergab. Bei den Unternehmen sieht es ähnlich aus: Sie blicken besorgt auf ihre kurzfristigen wirtschaftlichen Perspektiven und laut der jährlichen Coface-Umfrage wird für 2025 noch keine Trendwende erwartet. Wegen der anhaltenden wirtschaftlichen Flaute dürften zudem mehr Unternehmen in die Pleite rutschen als bislang erwartet: Allianz Trade hat die Insolvenzprognosen erhöht − sowohl global als auch für Deutschland.
Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet für dieses Jahr eine Zunahme der Insolvenzfälle um 25% auf rund 22.200. Zuvor lag die Voraussage bei +21% nachdem die Fallzahl 2023 um 22% zugelegt hatte. Für 2025 dürften es „trotz des erwarteten Miniwachstums des deutschen Bruttoninlandsprodukts (BIP)“ mit 23.000 Fällen rund 4% mehr Insolvenzen geben. Bislang wurde ein Plus von 2% vorausgesagt. Erst 2026 zeichne sich mit einem Rückgang um 4% auf 22.100 Fälle „voraussichtlich eine leichte Entspannung ab“, wie der Kreditversicherer mitteilte.
„Rückstau“ bei Pleiten
Global wird für das laufende Jahr ein Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 11 (zuvor: 9)% erwartet. 2025 wird nun statt einer Stagnation ein Wachstum um 2% prognostiziert, bevor sich die Pleiten 2026 auf hohem Niveau stabilisieren. Als Haupttreiber des erwarteten globalen Anstiegs 2025 benennt Allianz Trade die USA (+12%), Russland (+16%) sowie China (+5%) und Taiwan (7%). Unter den europäischen Ländern sind es Deutschland und Italien mit je +4%.
Ursächlich dafür seien auch „die nach wie vor gedämpfte globale Nachfrage, anhaltende geopolitische Unsicherheit und ungleiche Finanzierungsbedingungen“, sagt Aylin Somersan Coqui, CEO der Allianz Trade Gruppe. Es gebe auch noch einen „Rückstau“, nachdem staatliche Stützungsmaßnahmen aus Zeiten der Corona- und Energiekrise weggefallen seien. Am stärksten betroffen seien die Bau-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbranche − sowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auch auf die Schwere der Insolvenzen.
Zinshoffnung beflügelt
Dass die ZEW-Konjunkturerwartungen im Oktober um 9,5 auf 13,1 Punkte und damit stärker als auf die erwarteten 10 Zähler geklettert sind, liegt auch an der „Erwartung stabiler Inflationsraten und den damit verbundenen Aussichten auf weitere Zinssenkungen durch die EZB“, wie ZEW-Präsident Achim Wambach kommentierte. „Positive Signale gibt es zudem aus den deutschen Exportländern.“ So hätten sich die Erwartungen für die USA und China − wegen der Konjunkturmaßnahmen der chinesischen Regierung − verbessert. Das Lagebarometer fiel um 2,4 auf −86,9 Punkte. Auch hier war eine leichte Erholung prognostiziert worden.
Die 161 vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Finanzexperten zeigten sich auch für den gemeinsamen Währungsraum etwas optimistischer. Die Erwartungskomponente kletterte um 10,8 auf 20,1 Punkte. Der Lageindex fiel um 0,4 auf −40,8 Punkte.
Mahnende Worte
Ökonomen zeigten sich wenig begeistert von dem Zahlenwerk. Deutschland-Chefvolkswirt Robin Winkler von der Deutschen Bank mahnte, dass sich die Konjunkturerwartungen auch im Frühjahr stark verbessert hatten, was sich im Rückblick aber als falsches Signal herausgestellt habe. „Die Stimmung wird sich noch deutlich verbessern müssen, bevor vor allem die Unternehmensinvestitionen wieder anziehen", betont Winkler. „Die Verbesserung der Erwartungen kann nur aus dem Glauben resultieren, dass es schlechter nicht werden kann“, urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Wegen ungelöster Strukturprobleme dürften sich stagnierende Tendenzen weiter festsetzen. „Die Themen der nächsten Monate sind Kurzarbeit, Stellenkürzungen und Abwanderung von Unternehmen.“ Einen Stimmungswechsel werde es bis zur nächsten Bundestagswahl kaum geben.
Politische Unsicherheit bremst
Die politische Unsicherheit − sowohl innen- als auch geopolitisch − wird in der Coface-Umfrage von den Unternehmen als Risikofaktor Nummer 1 gesehen, gefolgt von den Sorgen über eine Unterbrechung der Lieferketten. „Der verwirrende Kommunikationsstil der Regierung und das Fehlen einer mittelfristigen Strategie – all das hat zu einem Rückgang der Investitionsausgaben geführt“, sagte Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Um Risiken zu minimieren, arbeiteten deutsche Firmen daran, ihre geschäftliche Abhängigkeit von einzelnen Ländern, Lieferanten oder Kunden zu verringern.
In der Umfrage unter 774 Unternehmen gaben 43% an, dass ihre aktuelle Geschäftslage im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben ist. 48% bewerteten ihre wirtschaftliche Situation schlechter als 2023, 9% sahen eine Verbesserung. Am pessimistischsten zeigten sich Baugewerbe und Transportbranche.
Dem KfW-Mittelstandspanel zufolge sind die kleinen und mittleren Unternehmen zwar noch stabil, stehen wegen der Konjunkturschwäche aber stark unter Druck. Umsätze und Investitionen sind 2023 real gesunken und im laufenden Jahr dürfte es kaum besser werden.
Einen konjunkturellen Lichtblick schickten am Dienstag die Daten zur Industrieproduktion im Euroraum. Die Fertigung kletterte um 1,8% zum Vormonat. Dies ist der stärkste Zuwachs seit April 2023. Allerdings lief der Juli schlechter als bisher bekannt: Eurostat meldet nun −0,5%, zuvor waren es −0,3%. Im Jahresvergleich steigerte die Industrie die Produktion um 0,1%.
Belastet wurde das Gesamtergebnis durch den Rückgang bei der Fertigung von Vorleistungsgütern um 0,3% zum Vormonat. Am kräftigsten stieg die Erzeugung von Investitionsgütern, etwa Maschinen und Fahrzeuge (3,7%), gefolgt von Gebrauchsgütern (1,7%). Die Energieerzeugung legte um 0,4% zu.
Die höchsten monatlichen Anstiege verzeichneten die Luxemburger Statistiker für Irland (4,5%), Deutschland und Litauen (je 3,3%) sowie Malta (2,7%). Die stärksten Rückgänge meldeten Luxemburg (−9,2%) und Kroatien (−4,6%).