Deutsche Wirtschaft schrumpft im Sommer
Deutsche Wirtschaft schrumpft im Sommer
BIP sinkt um 0,1 Prozent – Vor allem privater Konsum schwächelt – Mehr Ausrüstungsinvestitionen
ba Frankfurt
Die deutsche Wirtschaft ist im Sommer zwar geschrumpft, aber nicht ganz so kräftig wie erwartet. Zudem fiel der bisherige Jahresverlauf besser als bislang gemeldet aus. Die Aussichten bleiben aber trübe. Einiges hängt davon ab, dass der private Konsum und die globale Konjunktur wieder in Schwung kommen.
Die deutsche Wirtschaft hat im Sommer den Rückwärtsgang eingelegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte in den drei Monaten bis September preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,1% im Quartalsvergleich, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. Das ist nicht ganz so kräftig, wie Ökonomen mit –0,2% erwartet hatten.
Doch keine Rezession
Als positive Überraschung in dem noch sehr rudimentären Zahlenwerk gilt ihnen die Aufwärtsrevision des ersten und zweiten Quartals um je 0,1 Prozentpunkte. Die Wiesbadener Statistiker weisen nun für das zweite Vierteljahr ein Wachstum von 0,1% aus. Im Startabschnitt ergab sich nun eine Stagnation. Damit ist die deutsche Wirtschaft auch nicht im Winterhalbjahr in die technische Rezession gerutscht – dazu hätte es zweier Quartale mit Negativwachstum in Folge gebraucht. Zum Jahresende 2022 war das BIP um 0,4% geschrumpft.
Privater Konsum fällt erstmal aus
Bei der ersten Schnellmeldung gibt Destatis nur wenige Fingerzeige – die Details zu den Nachfragekomponenten gibt es erst am 24. November. So nahmen „besonders die privaten Konsumausgaben ab“, während von den Ausrüstungsinvestitionen, etwa in Maschinen und Fahrzeuge, positive Impulse kamen. Auch wenn sich die Inflation sukzessive abschwächt, zehrt sie weiter an der Kaufkraft der privaten Verbraucher. Deren Konsumlaune liegt ohnehin seit längerem auf niedrigem Niveau und ist zuletzt weiter gesunken. Sonst ist sie eine stabile Wachstumsstütze der hiesigen Konjunktur, doch in diesem Jahr dürfte sie in dieser Position ausfallen, wie es bei der GfK heißt, die monatlich die Verbraucherstimmung erhebt. Das vom Einzelhandelsverband HDE erhobene Konsumbarometer steht nach leichten Zuwächsen derweil zwar wieder auf dem Niveau wie vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Wachstumsimpulse werden aber auch nach diesem Indikator erst für kommendes Jahr erwartet.
Weniger Rückenwind vom Arbeitsmarkt
„Im nächsten Jahr dürfte es dank rückläufiger Inflation und steigender Einkommen vor allem über den Konsum mit der Wirtschaft wieder aufwärtsgehen“, formuliert KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib die Hoffnung vieler Volkswirte. „Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitsmarkt Kurs hält“, ergänzt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Hinter Letzterem stehe in Anbetracht dünner Auftragsbücher auch noch ein Fragezeichen. Frühindikatoren wie das Ifo-Beschäftigungsbarometer zeugen bereits von der Zurückhaltung der Arbeitgeber, neues Personal einzustellen. Das IAB-Arbeitsmarktbarometer deutet an, dass zwar in den kommenden Monaten noch mit einer etwas höheren Beschäftigung, zugleich aber auch mit einer steigenden Arbeitslosigkeit zu rechnen ist.
Die Auftragsbücher der Industrie leeren sich sukzessive, da mit dem nachlassenden Materialmangel die während der Corona-Pandemie liegengebliebenen Aufträge abgearbeitet werden. Nachdem die Neubestellungen aber bereits seit Anfang 2022 schwächeln, dürfte die Industrieproduktion in den kommenden Monaten deutlich zurückgehen – auch wenn sich hier zuletzt eine gewisse Stabilisierung abzeichnete, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagt. Er erwartet, dass die milde Rezession im Frühjahr 2024 endet. „Aber dann dürfte kein ordentlicher Aufschwung folgen.“ Denn die massiven Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) wirken nach. Und wegen des ungelösten unterliegenden Inflationsproblems erwartet Krämer anders als viele Ökonomen 2024 keine Zinssenkungen.
Bodenbildung zu erkennen – aber nicht mehr
ING-Chefökonom Carsten Brzeski benennt bei der Erklärung der Wachstumsschwäche die immer noch hohen Energiepreise und die Unsicherheit im Energiebereich sowie die sich wandelnde Rolle Chinas von einem florierenden Exportland zu einem Konkurrenten, der weniger deutsche Produkte benötigt. Aber es gebe auch noch „die bekannten strukturellen Herausforderungen, die von der Demografie bis zur Energiewende und zu geringen Investitionen reichen“. Auch in den USA werde sich eine wirtschaftliche Abkühlung in Folge der massiven Zinsanhebungen erst noch bemerkbar machen, so dass außenwirtschaftliche Impulse nicht zu erwarten seien. Ebenso wie andere Ökonomen warnt er davor, in der Verbesserung der ZEW-Konjunkturerwartungen oder des Ifo-Geschäftsklimaindex etwas anderes als eine Bodenbildung zu sehen.
„Der Ausblick für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt bleibt verhalten, wobei sich der Abwärtstrend allerdings abflacht“, prognostiziert Jörg Zeuner, Chefökonom bei Union Investment. Er rechnet mit einem Schrumpfen des BIP zum Jahresschluss von erneut 0,1% – „Im vierten Quartal erwarten wir einen weiteren Rückgang des BIP um 0,1%. „Und auch bis weit ins Jahr 2024 hinein rechnen wir mit wenig Dynamik.“ Das Schlimmste sollte jetzt aber hinter uns liegen, hofft Zeuner.
Auch Österreich schwächelt
Die schwache Performance in Deutschland belastet auch die Wirtschaft im Euroraum insgesamt. Das Statistikamt Eurostat berichtet am Dienstag über die Entwicklung, erwartet wird eine Stagnation. Neben dem Minus von 1,8% in Irland erweist sich auch die österreichische Wirtschaft als Bremsklotz. Hier sank das BIP um 0,6% im Sommer. „Dabei verfestigte sich der Rückgang in der Industrie- und Baukonjunktur“, hieß es beim Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung.