Beschäftigung

Deutscher Arbeitsmarkt fast auf Vorkrisen-Niveau

Die Erholung des deutschen Arbeitsmarktes schreitet voran. Verhaltener Optimismus ist angebracht – es bleiben aber einige tiefer gehende Herausforderungen.

Deutscher Arbeitsmarkt fast auf Vorkrisen-Niveau

ast Frankfurt

Der deutsche Arbeitsmarkt befindet sich weiterhin auf dem Weg der Erholung. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch mitteilte, sank die Zahl der Arbeitslosen im Juni um 73000 auf 2,61 Millionen. Die Arbeitslosenquote ging im selben Zeitraum um 0,2 Prozentpunkte auf nun 5,7% zurück. „Die umfassende Besserung am Arbeitsmarkt setzt sich im Juni fort“, konstatierte der Chef der BA, Detlef Scheele, bei der Präsentation der Zahlen in Nürnberg. „Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind weiter kräftig gesunken.“

Damit kommt der Arbeitsmarkt, der sich im europäischen Vergleich bereits während der Corona-Pandemie robust gehalten hatte, gut aus der Krise heraus. Im Vorjahresvergleich sank die Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte. Die Folgen der weitreichenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beschränkungen im Zuge der Pandemie sind jedoch auch in Deutschland nach wie vor deutlich spürbar. So liegt die Zahl der Arbeitslosen noch immer um gut 400000 über dem Vorkrisenniveau. Die Arbeitslosenquote verzeichnet gegenüber der Zeit vor der Krise ein Plus von 0,9 Prozentpunkten. Die Unterbeschäftigung, die auch Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik und kurzfristige Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt, lag im Juni bei 3,4 Millionen Personen. Das waren 207000 weniger als vor einem Jahr. Allerdings war der Juni 2020 stark von der Krise geprägt.

Unternehmen stellen ein

Im Juni wurde für 59000 Beschäftigte konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Aktuelle Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen nur bis April zur Verfügung. Auch hier meldet die Bundesagentur für Arbeit einen Rückgang auf 2,34 Millionen Arbeitnehmer, die konjunkturelles Kurzarbeitergeld erhielten. Vor einem Jahr hatte die Kurzarbeit mit knapp 6 Millionen Beschäftigten ihren Höhepunkt erreicht. „Die Unternehmen reduzieren weiter die Kurzarbeit und suchen wieder mehr nach neuem Personal“, kommentierte Scheele den aktuellen Rückgang.

Auch Erwerbstätigkeit und Beschäftigung lassen eine Aufwärtsbewegung erkennen. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) ist die Zahl der Erwerbstätigen im Mai saisonbereinigt gegenüber dem Vorjahresmonat um 15000 gestiegen. Auch die Zahl der offenen Stellen nimmt zu. Bei der BA waren im Juni 693000 Arbeitsstellen gemeldet, das sind 123000 mehr als vor einem Jahr. Der Stellenindex BA-X erreicht mit 114 Punkten erstmals wieder den Wert von März 2020, dem letzten Berichtsmonat, bevor sich die Auswirkungen der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt niederschlugen.

Angespannt bleibt nach wie vor die Situation am Ausbildungsmarkt. Insgesamt meldeten sich von Oktober bis Juni bei den Jobcentern 32000 Bewerber für eine Lehrstelle weniger als im Vorjahreszeitraum. Der BA zufolge ist das jedoch nicht auf ein mangelndes Interesse der jungen Berufseinsteiger zurückzuführen. Grund sind die beeinträchtigten Zugangswege, wie Ausbildungsmessen. Diese waren online nicht vollständig ersetzbar. Im Juni waren 216000 der gemeldeten 468000 Ausbildungsstellen noch unbesetzt. Die Jobcenter hoffen allerdings auf weitere Vertragsabschlüsse im Verlauf des Sommers und Frühherbstes.

Sorgenkind Ausbildung

Insgesamt wird die Lage am deutschen Arbeitsmarkt optimistisch bewertet. Auf den zweiten Blick allerdings bleiben Probleme be­stehen. So sinkt die Zahl der Kurzarbeiter zwar, bleibt aber sehr hoch. Die schwächelnde Nachfrage nach Ausbildungsstellen dürfte den Fachkräftemangel noch verschärfen. Und auch ein Blick auf die Lohnentwicklung zeigt: Die Reallöhne sanken im ersten Quartal im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum um 2%. Angesichts einer auf hohem Niveau verharrenden Teuerungsrate bleibt den Arbeitnehmern weniger von ihrem Gehalt.

Leitartikel Seite 6