Stanford-Report zur künstlichen Intelligenz

Deutschland kann bei KI durchstarten

Die KI-Rahmenbedingungen in Deutschland sind besser als vielfach dargestellt, zeigt der neue Stanford AI-Index. Brüssel will die Infrastruktur weiter verbessern, Berlin Deutschland zur KI-Nation ausbauen. Obendrein tun sich wegen Trumps Zollpolitik neue Chancen auf.

Deutschland kann bei KI durchstarten

Deutschland kann bei KI durchstarten

Stanford-Index bescheinigt Standort gute Chancen für ökonomische Transformation – Trumps Zölle bremsen US-Ambitionen

Die Rahmenbedingungen für eine stärkere Integration und Fortentwicklung von künstlicher Intelligenz sind in Deutschland besser als oftmals dargestellt. Die neue Bundesregierung und Brüssel wollen die KI-Infrastruktur weiter verbessern. Wegen Trumps Zollpolitik tun sich zudem neue Chancen auf.

lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt

Gleich auf zwei Ebenen bemüht sich die Politik derzeit darum, dass Europa und Deutschland bei der KI-Transformation von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft an der vordersten Front mitmischen können und obendrein die Abhängigkeit von den USA und China verringert wird. Bisher scheint Europa nämlich eher die zweite Geige zu spielen – weniger in der Forschung als bei der Umsetzung der darauf aufbauenden Geschäftsmodelle. Obendrein sprechen die gravierenden Unterschiede beim Investitionsniveau eine deutliche Sprache.

Erst vor wenigen Tagen hat EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen den Startschuss für fünf sogenannte „Gigafabriken“ gegeben. Sie sollen eine Art Ökosystem aus Rechenkapazitäten, Datenspeicher und sicherem Stromzugang sowie einem guten Umfeld für Forscher und Unternehmen bieten. Große Chancen als Standort in Deutschland rechnet sich hier das Forschungszentrum Jülich aus, wo schon leistungsfähige Supercomputer stehen. Und in der Koalitionsvereinbarung haben sich Union und SPD vorgenommen, Deutschland zur „KI-Nation“ und zum „Spitzenstandort für Zukunftstechnologie“ zu machen. Cloud- und KI-Infrastruktur sollen in Verbindung mit Robotik massiv gefördert und die Regulierung „innovationsfreundlich“ ausgestaltet werden.

Chancen durch Zollpolitik

Der Zeitpunkt erscheint günstig, da die KI-Führungsnation USA durch Trumps Zollpolitik gebremst wird und Wissenschaftler wegen seiner aggressiven Gesellschaftspolitik sogar über eine Abwanderung nachdenken. Jedenfalls werden die Kosten für Bau, Ausstattung und Betrieb von Rechenzentren in den USA dramatisch steigen, warnt Sam Altmann, der Chef von OpenAI. Auch, wenn inzwischen manche Technologiekomponenten wieder zeitweise von den Zöllen ausgenommen sind, „gibt es ganz viele andere Teile für ein Rechenzentrum, die teurer werden“, sagte er in einer Rede auf dem Vanderbilt Summit. Allein Google hatte angekündigt, in diesem Jahr 75 Mrd. Dollar für Rechenzentrum auszugeben, Microsoft strebt sogar 80 Mrd. Dollar an.

Hohe Forscherdichte

„Ich bin sehr besorgt“, lässt sich Andrew Ng, der ehemalige Leiter des Google-KI-Labors zitieren. Einige US-KI-Unternehmen könnten sich nun für den Bau von Rechenzentren außerhalb der USA entscheiden. Hierbei spielt dann eine Rolle, wie attraktiv der KI-Standort tatsächlich ist. Deutschland hat dabei gar keine schlechten Karten, wie der jüngste von der Stanford University herausgegebene KI-Index zeigt. Er führt alle wichtigen Informationen rund um KI zusammen und genießt ob seines gigantischen Datenangebots große Aufmerksamkeit in Politik und Wirtschaft.

Was die Zahl der KI-Forscher angeht, hatte hier 2024 zwar Indien die größten Zuwächse zu verzeichnen, doch Deutschland platziert sich bezogen auf die Talentdichte nach den USA, Indien und Großbritannien auf dem vierten Rang. Auch beim Zuzug liegt die Bundesrepublik vorne auf Platz sechs.

Investitionsweltmeister USA

Bei den öffentlichen und privaten Investitionen stehen die USA mit weitem Abstand auf dem ersten Platz, doch danach sind schon Deutschland und Europa zu finden. Die allermeisten öffentlichen Investitionen in den USA stammen zudem aus dem Pentagon, und bei den privaten sind es die einschlägig bekannten großen Techkonzerne, die den Löwenanteil stemmen. Aber der Markt differenziert sich zusehends in kleinere Segmente und scheint in eine Konsolidierungsphase eingetreten zu sein.

Es kommt nun mehr auf die Integration in bestehende Strukturen an als auf neue Sprachmodelle. Spezialdaten sind von entscheidender Bedeutung. Das gilt etwa für medizinische Anwendungen, bei Materialforschung und Produktentwicklung, beim Einsatz autonomer Fahrzeuge oder kollaborativen Robotern. Viele europäische Firmen sind hier erfolgreich, zeigt der Report.

Systemkosten sinken

Als hilfreich könnte sich auch erweisen, dass die Zustimmung zu KI in Europa nach den im Report zitierten Umfragen wächst. Gefragt, ob KI mehr Vor- als Nachteile bringe, stimmten nur 39% der Befragten in den USA zu, während in Deutschland 47% dieser Einschätzung beipflichten. Ebenfalls günstig für Ansiedlungen: Die Systemkosten sind drastisch gesunken. Auf Ebene von KI-Modellen haben sie sich seit 2022 um mehr als das 280-fache verringert, die Kosten für Hardware sind um 30% niedriger, und die Energieeffizienz hat sich jährlich um 40% verbessert.

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