Deutschland soll „führendes KI-Land in Europa“ werden
Deutschland soll „führendes KI-Land“ werden
Digitalgipfel der Bundesregierung zeigt Fortschritte am Standort, aber auch enormen Nachholbedarf im Mittelstand – Verwaltung hinkt hinterher
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Auf dem Digitalgipfel betont die Bundesregierung den Anspruch, bei der Digitalisierung nochmal einen Zahn zuzulegen. Die heimische exzellente KI-Forschung müsse stärker wirtschaftlich genutzt werden. Sorge gibt es vor Überregulierung und dem Verlust der digitalen Souveränität.
Deutschland soll nach dem Dafürhalten von Bundesdigitalminister Volker Wissing „zum führenden KI-Land in Europa“ aufgebaut werden. Dafür schaffe die Bundesregierung die Voraussetzungen mit einer wirtschaftsfreundlicheren Umsetzung von Regulierung und einem leichteren Datenzugang für innovative Start-ups, sagte er auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Frankfurt. Wissing: „Auch zu viel Regulierung, die gut gemeint ist, kann zur Innovationsbremse werden.“
Denn nur Unternehmen, die KI nutzten, um ihre Produkte und Services zu optimieren, würden im globalen Wettbewerb bestehen. Den Fokus will die Bundesregierung dabei vor allem auf den Mittelstand legen, wo es offenbar noch die größten Vorbehalte und schlechtere Voraussetzungen für den KI-Einsatz gebe als in Konzernen. Zahlreiche Projekte und Beratungsstellen sollen sich um die betroffenen Unternehmen kümmern, damit sie sich modernisieren können.
In nächster KI-Welle dabei
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte, dass der Standort Deutschland künftig auch selber KI-Unternehmen brauche, die im weltweiten Wettbewerb bestehen könnten und KI-Anwendungen in die Breite der deutschen Wirtschaft tragen würden. Bislang befinde sich Deutschland im Hinblick auf die KI-Technologie noch im Mittelfeld der Wettbewerber. „Wir haben keine Alibaba, kein Google, kein Apple“, mahnte Habeck, zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass Deutschland bei der nächsten KI-Welle eine zentrale Rolle spielen kann.
Denn jetzt geht es nach Meinung der Minister darum, dass KI in den Unternehmen direkt Anwendung findet und dort vorhandene Daten genutzt werden. „Unser Ziel ist es, Stärken auszubauen und strategische Schwächen zu reduzieren“, meint Habeck. Allerdings müssten hierfür die regulatorischen Rahmenbedingungen unternehmensfreundlicher gestaltet werden. Das gelte für den AI und Data Act ebenso wie für die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Spitzenposition bei der Forschung
Dass der Standort insgesamt gute Startbedingungen hat, betont auch Ralf Wintergerst, Präsident des Branchenverbands Bitkom. Aber auch er warnt vor Überregulierung, wie sie sich in den vergangenen Jahren immer wieder gegenüber anderslautenden politischen Bekundungen realisiert habe: „Wir dürfen unsere Herausforderungen nicht mehr mit immer mehr Regulierung angehen, sondern mit immer mehr Innovation. Wir brauchen das Zusammenspiel aus innovationsfreundlicher Regulierung und Investitionsanreizen.“
Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die bereits erfolgten Verbesserungen der digitalen Standortgrundlagen. Mit dem Mobilitätsdatengesetz, der Digitalisierung des Gesundheitswesens, der Umsetzung des Data und AI Act habe die Bundesregierung auf nationaler und europäischer Ebene schon wichtige regulatorische Weichen für eine bessere Datenverfügbarkeit gestellt, die Voraussetzung sei für das Training unternehmens- und branchenspezifischer KI. Zudem arbeite Berlin, so Wissing, intensiv an international kompatiblen Regeln für KI, damit Entwicklungen aus Deutschland weltweit anschlussfähig seien, heißt es.
Ferner böten neue Regierungsprojekte „konkrete Hilfestellung beim Einsatz in der Wirtschaft“. So würden mit dem Projekt „Mission KI“ des Digitalministeriums bundesweit Testzentren aufgebaut, um den Transfer in die Praxis zu erleichtern. Ein erstes Testzentrum sei im Sommer in Kaiserslautern eröffnet worden; es folgten weitere Zentren in Osnabrück, Berlin und anderswo. Außerdem würden Rechenzentren gefördert und die Glasfaser- sowie Mobilfunkinfrastruktur verstärkt ausgebaut.
Berlin darf sich nicht verzetteln
Derlei Aktivitäten hält der finnische Firmengründer Peter Sarlin, der sein KI-Labor „Silo AI“ erst vor kurzem für 665 Mill. Euro an den Chipkonzern AMD verkauft hat, für fehlgeleitet. Er plädiert dafür, in Europa auf eine klare Fokussierung zu setzen und den Tech-Sektor in den Vordergrund zu stellen. Die Politik müsse alles dafür tun, um diesen Sektor zu stabilisieren und innovativer zu machen. Die Vielzahl an Projekten und Programmen in Deutschland seien nicht imstande, den nötigen Impuls zu geben, um Europa im weltweiten Wettbewerb nach vorn zu katapultieren.
Beitrag zur „De-“Regulierung der Bundesregierung
Artikel zum Zwischenbericht der Bundesregierung
Kommentar zur Digitalstrategie