Die EZB braucht noch mehr Bedenkzeit
Die EZB braucht noch mehr Bedenkzeit
Deka-Zinskompass signalisiert keinen Handlungsbedarf – Richtungsstreit in der Notenbank um Projektionen und Kerninflation
Am Donnerstag wird die EZB aller Voraussicht nach eine Zinspause einlegen, wie auch der Deka-Zinskompass für die Börsen-Zeitung anzeigt. Unter den Notenbankern wird zudem darüber diskutiert, was für die Steuerung der Geldpolitik derzeit wichtiger ist: die Entwicklung der Projektionen oder der Kerninflation.
mpi Frankfurt
Wenn die Europäische Zentralbank am Donnerstag für ihren nächsten Zinsentscheid zusammenkommt, werden die Gedanken vieler Analysten und Journalisten bereits um die Sitzung im September kreisen. Denn eine Zinssenkung in dieser Woche gilt als quasi ausgeschlossen. Dies signalisiert auch der Zinskompass der Deka, der stets vor einer geldpolitischen Sitzung exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint.
Beobachter erhoffen sich vom Donnerstag daher vor allem Signale für die Zinssitzung im September, auf der die EZB womöglich die Leitzinsen um 25 Basispunkte senkt. Diese Hoffnungen könnten jedoch enttäuscht werden. Zwar haben einige Notenbanker zuletzt betont, dass sie mittelfristig Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik sehen. Gleichzeitig stellten sie jedoch heraus, dass sie noch mehr Daten benötigen, um ausreichend zuversichtlich zu sein, dass die Inflation 2025 nachhaltig auf 2% fällt.
Debatte um Lohnentwicklung
Eine wichtige Rolle werden die Lohndaten für das zweite Quartal spielen. Diese werden die EZB-Räte bis zur Sitzung im September kennen. „Ein ähnlich starker Anstieg wie zuletzt würde Zweifel an den Vorhersagen des Mitarbeiterstabs zunehmen lassen“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der Deka. „Dies hätte wahrscheinlich gravierendere Auswirkungen auf die Entscheidung der EZB als ein hartnäckig hoher Preisauftrieb im Dienstleistungssektor.“
Einige EZB-Ratsmitglieder haben in den vergangenen Monaten die Bedeutung der Projektionen der Notenbank zu Inflation und Wirtschaftswachstum für die weitere Geldpolitik betont. Der Rückgang der Inflation auf den Zielwert von 2% in der zweiten Jahreshälfte 2025 beruht wesentlich darauf, dass die EZB ein nachlassendes Lohnwachstum sowie sinkende Profitmargen der Unternehmen erwartet. Hohe Lohnkosten schlagen vor allem im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor auf die Preise durch. Hier hält sich die Teuerung bislang hartnäckig über 4%. Das hält den unterliegenden Preisdruck hoch.
Zweifel am Aufschwung
Bleibt das Lohnwachstum kräftig, dürfte die EZB ihre Inflationsprognose anheben müssen. Auch bei der Projektion für das Wirtschaftswachstum mehren sich die Zweifel. „Die seit der letzten Ratssitzung veröffentlichten Daten fielen überwiegend schwach aus, was sich in einer niedrigeren Konjunktursäule des EZB-Kompasses widerspiegelt“, sagt Tödtmann. Eine schwächere Konjunktur als vorhergesagt würde wiederum den Spielraum für Zinssenkungen erhöhen.
Spannend ist laut Tödtmann, was passieren würde, sollten sich die Projektionen und die Kerninflation in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Manche Notenbanker „halten die den makroökonomischen Projektionen zugrundeliegenden Annahmen für zu optimistisch und legen deshalb mehr Wert auf die zugrundeliegende Inflation“, sagt er. Der Großteil der Ratsmitglieder dürfte laut dem Deka-Experten jedoch grünes Licht für eine Zinssenkung im September geben, solange die EZB-Projektion weiterhin ein Erreichen des Inflationsziels in 2025 vorhersagt.
Kreditvergabe bleibt schwach
Derweil ergibt eine Umfrage der EZB unter Banken erstmals seit 2022 wieder eine steigende Nachfrage der Verbraucher in der Eurozone nach Krediten. Die Nachfrage der Unternehmen nach Darlehen ist dem am Dienstag veröffentlichten Bank Lending Survey (BLS) der Notenbank zufolge hingegen im zweiten Quartal erneut gesunken. Allerdings erwarten die befragten Kreditinstitute einen Anstieg der Nachfrage im dritten Quartal. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre dies die erste Zunahme seit 2022, als die EZB mit den Zinserhöhungen begonnen hatte.
Bei den Kreditstandards berichten die befragten Banken keine wesentlichen Änderungen im zweiten Quartal. Im dritten Quartal könnte es hingegen eine moderate Verschärfung geben, trotz Beginn der Zinswende der Europäischen Zentralbank im Juni. Vor allem Unternehmen aus dem Bausektor müssen sich der Umfrage zufolge auf strengere Kreditstandards einstellen.
Bundesbank-Studie: Hohe Zinsen belasten Wirtschaft in Deutschland überdurchschnittlich stark
EZB-Strategieüberprüfung: Anleihekäufe und Inflationsziel könnten auf der Agenda stehen