EZB-Präsidentin Lagarde

„Eine weiche Landung ist immer noch nicht garantiert“

Hohe Unsicherheiten hätten es der EZB erschwert, bei den Zinserhöhungen ab 2022 das richtige Maß zu finden, sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Notenbankkonferenz in Sintra. Und mit den Unsicherheiten sei es noch nicht vorbei.

„Eine weiche Landung ist immer noch nicht garantiert“

„Eine weiche Landung ist nicht garantiert“

EZB-Präsidentin Lagarde betont bei der Notenbankkonferenz in Sintra, dass die Wachstumsaussichten ungewiss bleiben

mpi zzt. Sintra

Die Inflation nähert sich langsam dem Zielwert der EZB von 2% an und die Wirtschaft beginnt sich zu erholen. Eine sogenannte weiche Landung, bei der die Inflationsrate nach einem deutlichen Anstieg wieder auf 2% fällt, ohne, dass die Wirtschaft in eine Rezession rutscht oder die Arbeitslosigkeit deutlich ansteigt, ist für EZB-Präsidentin Christine Lagarde jedoch weiterhin keine Selbstverständlichkeit. „Angesichts des Ausmaßes des Inflationsschocks ist eine ‚weiche Landung‘ immer noch nicht garantiert“, sagte Lagarde am Montagabend in ihrer Eröffnungsrede des EZB-Forums im portugiesischen Sintra.

Wenn Zentralbanken in der Vergangenheit die Zinsen erhöhen mussten, während die Energiepreise hoch waren, waren die ökonomischen Kosten groß, so Lagarde. Nur in wenigen Fällen sei dann eine sanfte Landung gelungen. Die EZB-Präsidentin betonte jedoch, dass sich die aktuelle Situation stark von vergangenen Zinszyklen unterscheide. Dies habe es bereits ab 2022 schwierig gemacht, bei den Zinserhöhungen nach dem Anstieg der Inflation das richtige Maß zu finden.

Neue Methode nötig

„Angesichts mehrerer großer Schocks herrschte erhebliche Unsicherheit darüber, wie die Informationen, die wir aus der Wirtschaft erhielten, interpretiert und eingestuft werden sollten“, sagte Lagarde. Sich zu sehr auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zu verlassen, wäre riskant gewesen. Schließlich sei unklar gewesen, ob die geopolitischen Schocks und höhere Energiepreise die wirtschaftlichen Strukturen grundsätzlich verändern oder nicht.

Zu sehr die aktuellen Daten zu gewichten, wäre laut Lagarde aber auch gefährlich gewesen. Denn hier herrschte Unklarheit, ob die Daten eher Resultat vergangener Schocks waren, oder auch Aussagekraft über die weitere Entwicklung der Wirtschaft und der Inflation besitzen.

Aus diesem Grund stellte die EZB ein Rahmenwerk auf, das neben den Projektionen der Notenbank zu Inflation und Wirtschaftswachstum, den zugrundeliegenden Preisdruck und die Stärke der geldpolitischen Transmission berücksichtigt. An diesen Eckpfeilern orientiert sich die EZB weiterhin in der Geldpolitik. „Gleichzeitig ermöglichte uns die Betrachtung aktueller Daten, die anhaltenden Komponenten der Inflation zu identifizieren und strukturelle Veränderungen zu berücksichtigen, die in unseren Prognosemodellen möglicherweise fehlten“, sagte Lagarde.

Inflationserwartungen im Fokus

Den steilsten Zinserhöhungszyklus in der Geschichte der Notenbank mit Zinsschritten von teilweise 75 Basispunkten verteidigte die EZB-Präsidentin. „Wir sahen einige Anzeichen dafür, dass die Verankerung der Inflationserwartungen vulnerabel wurde.“ Um eine Entankerung zu verhindern, habe man deutlich reagieren müssen. „Es ist wahrscheinlich, dass moderate geldpolitische Maßnahmen nicht ausgereicht hätten“, sagte Lagarde. Wenn die Zinsen beispielsweise bei 2% ihren Höhepunkt erreicht hätten, hätte das Risiko einer Entankerung laut einer EZB-Studie 24% betragen.

Eine Entankerung der Inflationserwartungen, die die Rückkehr zur Preisstabilität deutlich erschweren würde, konnte die EZB verhindern. Viele Unsicherheiten sind jedoch geblieben. „Wir sind immer noch mit mehreren Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Inflation konfrontiert, insbesondere im Hinblick darauf, wie sich der Zusammenhang zwischen Gewinnen, Löhnen und Produktivität entwickeln wird und ob die Wirtschaft von neuen angebotsseitigen Schocks betroffen sein wird.“

Ungewisse Wachstumsaussichten

Zudem brauche die EZB Zeit, um sicher zu sein, dass die Risiken einer nachhaltig zu hohen Inflation behoben sind. Diese Aussage Lagardes deutet darauf hin, dass die Notenbank mit künftigen Zinssenkungen vorsichtig umgehen wird. Eine Zinssenkung im Juli gilt unter Analysten als annähernd ausgeschlossen. Möglicherweise könnte die EZB nach dem Beginn der Zinswende im Juni im September das nächste Mal eine Zinssenkung um 25 Basispunkte beschließen.

„Der starke Arbeitsmarkt bedeutet, dass wir uns Zeit nehmen können, neue Informationen zu sammeln, aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass die Wachstumsaussichten weiterhin ungewiss sind“, führte Lagarde aus. Es sei daher wichtig, dass die EZB datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheide und sich nicht auf einen bestimmten geldpolitischen Pfad festlege.

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