Einigung auf ein Ölembargo light
ahe Brüssel
Das bereits vor vier Wochen angekündigte sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland kann in den nächsten Tagen endgültig in Kraft gesetzt werden. Die Staats- und Regierungschefs verständigten sich darauf, in diesem Rahmen auch die Importe von russischem Rohöl bis Jahresende zu stoppen. Allerdings gibt es noch auf unbestimmte Zeit Ausnahmen für Pipeline-Öl, wovon insbesondere Ungarn, aber auch Tschechien und die Slowakei profitieren.
Bislang kommt etwa ein Drittel der russischen Ölimporte über die Druschba-Pipeline in die EU. Zwei Drittel werden über den Seeweg transportiert. Deutschland und Polen, die beide an die Pipeline angeschlossen sind, wollen die Ausnahmeoption allerdings nicht nutzen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Sondergipfel in Brüssel noch einmal bekräftigte. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird es damit bis Jahresende zu einem Stopp von etwa 90% der bisherigen Öllieferungen aus Russland kommen. In Deutschland versorgt die „Druschba“ (Freundschaft) genannte Leitung bislang die großen ostdeutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna.
Auf die Ausnahmen hatte insbesondere Ungarn gedrungen. Unklar blieb am Dienstag zunächst, welche Zugeständnisse Regierungschef Viktor Orbán abgesehen von der Ausnahmeregelung für Pipeline-Öl noch zugesagt bekam. Orbán hatte im Vorfeld des Gipfels auch hohe Finanzhilfen für Investitionen in die Energieinfrastruktur gefordert.
Im Anschluss an das Treffen in Brüssel herrschte allgemeine Zufriedenheit, dass es doch noch gelungen war, beim umstrittenen Embargo Einigkeit demonstrieren zu können. Der Schritt diene dazu, dass Russland den Krieg in der Ukraine beende, sich aus dem Land zurückziehe und eine Friedenslösung anstrebe, betonte Scholz. Auch die Regierungschefs von Tschechien und der Slowakei bezeichneten die Gipfeleinigung als ein ausgezeichnetes Ergebnis. Man sei froh, dass es gelungen sei, auch Orbán bei diesem Schritt mit an Bord zu bekommen.
Neben dem teilweisen Ölembargo gehört zum neuen Sanktionspaket, das bereits am Mittwoch förmlich auf den Weg gebracht werden könnte, ein Ausschluss der größten russischen Bank Sberbank aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift. Auch sollen der staatliche Fernsehnachrichtensender Russia 24 (Rossija 24) sowie Staatssender RTR Planeta und TV Centre in der EU verboten werden. Weitere Russen werden zugleich auf die Sanktionsliste gesetzt.
Gasembargo kein Thema
Die Aussicht auf ein vermindertes Ölangebot aus Russland trieb am Dienstag unterdessen auch die Ölpreise in die Höhe. Am Mittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,60 US-Dollar. Das waren 1,93 Dollar mehr als am Vortag, und es war der höchste Stand seit Anfang März.
Nach Schätzungen des Brüsseler Thinktanks Bruegel gaben die EU-Staaten bis vor Kurzem noch täglich etwa 450 Mill. Euro für Rohöl aus Russland aus; hinzu kamen noch rund 400 Mill. Euro täglich für Erdgas. Estlands Regierungschefin Kaja Kallas sagte in Brüssel, sie halte daher auch ein Einfuhrverbot für Gas aus Russland für notwendig. Zugleich zweifelte sie allerdings daran, dass dies auch durchsetzbar sei. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer stellte klar, dass es ein Gasembargo vorerst nicht geben werde. Ein solcher Schritt sei auch für ein mögliches nächstes Sanktionspaket gegen Russland „kein Thema“, betonte er.
Die Staats- und Regierungschefs der EU bekräftigten auf dem Gipfel noch einmal ihre Solidarität mit der Ukraine und beschlossen weitere kurzfristige Finanzhilfen, damit Kiew seine Haushaltsverpflichtungen weiter aufrechterhalten kann. Die Rede ist von Krediten im Volumen von rund 9 Mrd. Euro, wie sie die EU-Kommission bereits vor zwei Wochen vorgeschlagen hatte. Die Liquiditätshilfen sollen demnach in Form von Darlehen tranchenweise mit langen Laufzeiten und zu Vorzugskonditionen bei den Zinsen ausgezahlt werden. Dies müssen die EU-Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Garantien ermöglichen.
Bundeskanzler Olaf Scholz verwies darauf, dass Deutschland im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft bereits 1 Mrd. Euro an nicht rückzahlbaren Zuschüssen bereitgestellt hat. Die G7-Staaten hatten vor zwei Wochen beschlossen, der Ukraine kurzfristig 9,5 Mrd. Dollar an Haushaltshilfen zu überweisen, ein Großteil davon in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen.