EU-Kommission

Erste Schritte aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten

Die EU-Kommission hat ein vielschichtiges Maßnahmenpaket vorgelegt, das den Bedarf an russischem Erdgas innerhalb nur eines Jahres um zwei Drittel reduzieren soll. Gleichzeitig sollen die Belastungen für Firmen und Haushalte gelindert werden.

Erste Schritte aus der Abhängigkeit von russischen Gasimporten

ahe Brüssel

Durch eine stärkere Diversifizierung der Gasimporte, einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Drosselung des Verbrauchs will die EU ihre Abhängigkeit von Energieimporten kurzfristig deutlich verringern. Ein entsprechendes Maßnahmenpaket, das die Europäische Kommission am Dienstag veröffentlichte, wollen die EU-Staats- und Regierungschefs nun auf ihrem informellen Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag diskutieren. Nach Berechnungen der Kommission könnte eine Umsetzung der Vorschläge den Bedarf an russischem Erdgas bereits bis Ende des Jahres um zwei Drittel reduzieren.

Eine vollständige Umsetzung des im vergangenen Sommer vorgelegten Klimapakets „Fit for 55“, das aktuell noch von den Mitgesetzgebern beraten wird, würde demnach den EU-Verbrauch an fossilem Gas bis 2030 bereits um 30% reduzieren, was 100 Mrd. Kubikmetern (bcm) entspricht. Wenn nun das neue Paket, das den Namen „Repower EU“ trägt, könnte der Verbrauch von Erdgas ebenfalls um 155 bcm gedrosselt werden – was der Gasmenge entspricht, die Russland 2021 in die EU exportiert hat. Fast zwei Drittel dieser Reduzierung sollen bis Jahresende möglich sein.

Dazu sollen den Brüsseler Plänen zufolge 50 bcm an zusätzlichen Gaslieferungen beitragen, die verflüssigt (LNG) oder über andere schon existierende Pipelines importiert werden könnten. Die EU-Kommission nannte in ihrem Vorschlag zahlreiche Länder, die ihre Lieferungen erhöhen könnten – darunter die ohnehin für die EU schon wichtigen Gasproduzenten USA, Norwegen, Katar, Algerien und Aserbaidschan, aber auch Länder wie Ägypten, Südkorea, Japan, Nigeria, die Türkei oder auch Israel.

Ein weiterer Teil des heutigen Erdgasverbrauchs soll durch die höhere Produktion beziehungsweise den Import von Biogas/Biomethan – die Ziele bis 2030 wurden verdoppelt – sowie von erneuerbarem Wasserstoff ersetzt werden. Vor allem der Wasserstoff könnte laut Kommission bis 2030 auf ein jährliches Volumen von 25 bis 50 bcm kommen.

Auch die bisherigen Pläne zum Ausbau von erneuerbaren Energien sollen dem Maßnahmenpaket zufolge beschleunigt werden. Neben dem mittelfristigen Ausbau von Windenergie liegt der kurzfristige Fokus auf Fotovoltaikanlagen auf Dächern, die schon 2022 die Stromproduktion um bis zu 15 Terawattstunden (TWh) erhöhen sollen, was 2,5 bcm Gas einsparen würde.

Gesetz zur Gasspeicherung

Ergänzt wird dies durch einen Plan, in den nächsten fünf Jahren 10 Millionen Wärmepumpen in Haushalten einzubauen, sowie durch höhere Energieeffizienzziele. Bei der Umsetzung der Maßnahmen soll auch die Europäische Investitionsbank (EIB) mit einbezogen werden.

Um die Gasversorgung für den nächsten Winter abzusichern, will die EU-Kommission im nächsten Monat einen Gesetzesvorschlag vorlegen, der vorschreibt, dass unter­irdische Gasspeicher in der gesamten EU bis zum 1. Oktober jedes Jahres auf mindestens 90% ihrer Kapazität gefüllt sein müssen. Die Regelungen sollen auch die Überwachung der Vorgaben und die Durchsetzung von Füllständen beinhalten sowie So­lidaritätsvereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten, da nicht alle EU-Länder­ Gasspeicher haben.

Der bisherige Instrumentenkasten, mit dem Mitgliedstaaten ihre Bürger und Unternehmen von den explodierenden Energiepreisen entlasten können, reicht nach Ansicht der EU-Kommission mittlerweile nicht mehr aus. Sie kündigte daher an, alle möglichen Optionen für Sofortmaßnahmen zu prüfen, um in das aktuelle Strommarktdesign einzugreifen, das eine Koppelung der Strom- und Gaspreise beinhaltet. Die Behörde bringt auch vorübergehende Preisbegrenzungen ins Spiel.

Vorgeschlagen wird zudem, dass die EU-Staaten außerordentliche Gewinne aus den jüngsten Energiepreissteigerungen – sogenannte Windfall Profits – steuerlich abschöpfen könnten, um mit diesen Einnahmen betroffene Verbraucher und Unternehmen zu entlasten. Dies könnte nach Berechnungen der Kommission 200 Mrd. Euro bringen. Auch die Einnahmen von geschätzt 30 Mrd. Euro aus dem Emissionshandel (ETS) könnten die Länder nutzen, um die Auswirkungen der hohen Energiepreise abzufedern. Die Kommission will unter anderem die ETS-Beihilfeleitlinien anpassen, damit mehr Branchen in Strompreis-Kompensationen einbezogen werden.

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