Euro-Konjunktur

Erzeugerpreise klettern wie nie

Die anziehenden Erzeugerpreise im Euroraum erhöhen den Druck auf den EZB-Rat, bei der Zinssitzung am Donnerstag kräftig nachzulegen. In einer Bloomberg-Umfrage sprechen sich Ökonomen für eine Erhöhung um 75 Basispunkte aus.

Erzeugerpreise klettern wie nie

ba Frankfurt

Die Erzeugerpreise im Euroraum sind im Juli so stark gestiegen wie nie seit Bestehen der Währungsunion. Da der Preisauftrieb auf Herstellerebene auf die Verbraucherpreise durchschlägt, steigen damit die Erwartungen, dass die Euro-Hüter auf der Sitzung am kommenden Donnerstag erneut kräftig an der Zinsschraube drehen werden. Denn es wird erwartet, dass die Inflationsrate im weiteren Jahresverlauf der 10-%-Marke nahe kommt.

Laut Statistikamt Eurostat kletterten die Produzentenpreise der Euro-Industrie im Jahresvergleich um 37,9%. Ökonomen hatten mit einem Plus von 37,3% gerechnet nach dem Plus von 36,0% im Juni und von 36,2% im Mai. Einen besonders kräftigen Preisschub verzeichneten die Luxemburger Statistiker für Energie – und zwar von 9,0% gegenüber Juni und 97,2% zum Vorjahr. Bleibt dieses Segment außen vor, zogen die Erzeugerpreise auf Jahressicht um 15,5% an. Die für die Produktion besonders wichtigen Vorleistungsgüter verteuerten sich um 21,6% – wobei sich hier der Preisauftrieb seit einigen Monaten abschwächt. Im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten kletterten die Preise von Investitions-, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern etwas weniger stark.

Die Erzeugerpreise – also die Preise ab Fabriktor, bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen – geben einen frühen Hinweis auf die Entwicklung der Verbraucherpreise. Diese sind im August auf 9,1% und damit den höchsten Stand seit Euro-Einführung geklettert. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt eine Inflationsrate von 2% an und hat im Kampf gegen die heftige Teuerung im Juli die Zinswende eingeleitet. Dass die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Zinssitzung am 8. September nachlegen, ist unstrittig. Uneinigkeit herrscht allerdings in der Frage, wie stark und schnell die Zinsen steigen sollten.

Neue EZB-Projektionen

Ökonomen erwarten laut einer am Freitag veröffentlichten Bloomberg-Umfrage eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte. Trotz der überraschend starken Zinserhöhung im Juli sind mehr als zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass die EZB im Kampf gegen die Teuerung zu langsam gehandelt hat. Zudem gehen sie davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus mit einem höheren Endwert ausklingen wird als bislang angenommen. Die Umfrage reflektiert die Erwartung, dass die EZB dem Kampf gegen die Teuerung trotz der damit einhergehenden Rezessionsgefahr Vorrang einräumen wird. Die überwiegende Mehrheit der Befragten erwartet eine technische Rezession, also das Schrumpfen der Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Am kommenden Donnerstag legen die Volkswirte der EZB neue Projektionen vor – wie schon andere Institutionen werden sie wohl die Wachstumsprognosen senken und die Vorhersagen für die Inflations­rate erhöhen.

Mit einer Zinsanhebung um 75 Basispunkte, die inzwischen auch von den Geldmärkten eingepreist wird, würde sich die EZB dem geldpolitischen Kurs der Fed nähern, die bereits zwei Zinsschritte in dieser Größenordnung vorgenommen hat. Schnellere Zinserhöhungen dürften zudem den Euro stützen, der mit dem aggressiven Zinserhöhungskurs der Fed unter Druck geraten ist. Dies würde für Entspannung bei dem Teil der Teuerung sorgen, der durch die Währungsschwäche beim Import von Rohstoffen bewirkt wurde.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.