Euro-Schwäche treibt EZB-Rat um
rec Frankfurt
Die kontinuierliche Abwertung des Euro beunruhigt Europas Währungshüter. Das geht aus dem Protokoll der EZB-Sitzung vor vier Wochen hervor, als der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) überraschend kräftig die Leitzinsen erhöht hat. Derweil hat EZB-Chefin Christine Lagarde in einem Interview Probleme mit den internen Prognosemodellen eingeräumt.
Entgegen früheren Ankündigungen hat der EZB-Rat im Juli den Negativzins auf einen Schlag abgeschafft. Das Protokoll gibt näheren Aufschluss über die Beweggründe. Zusätzlich zur unmittelbaren Reaktion auf die Rekordinflation führte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane demnach ein weiteres Argument an: Das sogenannte „Frontloading“ der Zinserhöhungen versetze den EZB-Rat in die Lage, künftig Sitzung für Sitzung zu entscheiden. Deshalb ist offen, wie es am 8. September weitergeht.
In der Zwischenzeit hat sich die Situation sowohl in Sachen Inflation mit aktuell knapp 9% als auch in Sachen Wechselkurs verschärft. Der Euro bewegt sich seit Tagen überwiegend unterhalb der Parität zum Dollar. Im Protokoll zur Sitzung, als sich der Euro noch knapp über dieser Marke hielt, heißt es: „Die Ratsmitglieder stellten weithin fest, dass die Abwertung des Euro eine wichtige Veränderung des außenwirtschaftlichen Umfelds darstellte und einen stärkeren Inflationsdruck für das Euro-Gebiet bedeutete“.
Die Sorgen dürften seitdem kaum geringer geworden sein. Zumal der Preisdruck längst auch auf breiter Front das mittelfristige EZB-Inflationsziel von 2% übersteigt. Das belegt auch ein neuer Indikator der EZB zur „heimischen“ Inflation, der nur Preise mit geringem oder ohne Importanteil enthält: Dieses Maß liegt laut EZB derzeit über 3%. Das zeigt: Es sind zwar in erster Linie, aber bei weitem nicht nur die Energiepreise, die die Inflation treiben.
Die EZB steht in der Kritik, die Inflation unterschätzt und zu spät reagiert zu haben. Indirekt ist EZB-Chefin Lagarde in einem Interview mit der Zeitschrift „Madame Figaro“ darauf eingegangen. Darin räumt Lagarde ein: „Wir können uns nicht mehr ausschließlich auf die Prognosen unserer Modelle verlassen – sie mussten in den letzten zwei Jahren immer wieder nach oben korrigiert werden. Es gibt Dinge, die die Modelle nicht erfassen.“
Den verschärften Kampf gegen die Inflation flankiert die EZB mit einem neuen Programm für potenziell unbegrenzte Anleihekäufe, dem Antifragmentierungsinstrument TPI. Der Beschluss dazu fiel im Juli einstimmig. Indes bestätigt sich mit Lektüre des Protokolls für die Fachleute von Morgan Stanley um Ex-EZB-Mitarbeiter Jens Eisenschmidt, „dass die Latte zum Aktivieren des Werkzeugs relativ hoch zu liegen scheint“.