Euro-Wirtschaft immer kraftloser
ba Frankfurt
Die Laune der Unternehmen im Euroraum trübt sich angesichts eines immer kräftiger werdenden Risikococktails stetig weiter ein. Die hohe Inflation lässt die Nachfrage schwinden, die höheren Kosten für Energie, Material und Löhne wiederum lassen den Kostendruck insgesamt steigen und führen zu höheren Verkaufspreisen. Die zunehmenden Rezessionsängste und Sorgen vor einer anhaltend hohen Inflation und weiteren Energiepreissprüngen sorgen dafür, dass die Geschäftsaussichten so gering eingeschätzt werden wie zuletzt während der ersten Coronawelle im Jahr 2020. Die Unternehmen halten sich daher mit Neueinstellungen zurück. Besserung ist angesichts des anhaltenden Ukraine-Kriegs, der für den starken Preisauftrieb sorgt, kaum in Sicht. Für Ökonomen ist eine Rezession im Euroraum daher ausgemachte Sache.
„Jegliche Hoffnung, dass die Eurozone eine Rezession vermeiden könnte, wurden durch die beschleunigte Talfahrt, die der Composite-PMI signalisiert, enttäuscht“, kommentierte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global, die endgültigen Ergebnisse der Einkaufsmanagerumfrage. Der Index für die Privatwirtschaft, der Dienstleister und Industrie zusammenfasst (PMI Composite), ist im September so kräftig wie seit Januar 2021 nicht mehr gefallen – und zwar um 0,8 auf 48,1 Punkte. Die Erstschätzung lag bei 48,2 Zählern. Beides Werte, die unterhalb der neutralen Marke von 50 Punkten liegen und damit eine schrumpfende Aktivität signalisieren. Die Stimmung trübte sich dabei sowohl bei den Dienstleistern (−1,0 auf 48,8 Punkte) als auch in der Industrie (−1,2 auf 48,4 Zähler) ein. Der Industrie-PMI liegt damit auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2020.
Minus wird noch größer
Das dritte Minus des PMI Composite in Folge wertet Williamson als Hinweis auf ein rückläufiges Bruttoinlandsprodukt (BIP) „und darauf, dass der Rückgang im Verlauf des dritten Quartals 2022 weiter an Fahrt aufgenommen hat“. Die trüberen Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist und das besorgniserregend große Auftragsminus deuteten sogar auf einen noch stärkeren BIP-Rückgang im vierten Quartal hin, mahnte Williamson. Der Auftragseingang wies laut S&P Global das höchste Minus seit knapp zwei Jahren aus, und auch beim Exportneugeschäft schlagen hohe Verluste zu Buche.
„Sowohl die Unternehmen als auch die privaten Haushalte schränken ihre Ausgaben ein und schnallen in Vorbereitung auf einen strengen Winter die Gürtel enger“, sagte Williamson mit Blick auf die steigende Inflation. Im September war die Teuerungsrate im gemeinsamen Währungsraum erstmals zweistellig. Laut Erstschätzung des Statistikamts Eurostat liegt sie bei 10%, womit die Erwartungen an einen weiteren kräftigen Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Oktobersitzung steigen.
Der Blick auf die Länderdaten zeigt, dass in lediglich zwei Ländern die Wirtschaft im September zugelegt hat: Während sie In Irland etwas schneller als zuletzt wuchs, ließ das Tempo in Frankreich deutlich nach. In den übrigen von der Umfrage erfassten Ländern ging es bergab, „allen voran in Deutschland, wo die Wirtschaftsleistung – abgesehen vom Einbruch während des Höhepunkts der Pandemie – so rasant sank wie seit der globalen Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr“, wie S&P Global mitteilte. In Italien beschleunigte sich die Talfahrt. In Spanien wiederum schrumpfte die Wirtschaft erstmals seit Januar. In den beiden letztgenannten Ländern trübte sich die Stimmung der Dienstleister stärker ein als erwartet.