Standortfaktor für Wettbewerbsfähigkeit

Europa soll globale Mindeststeuer aussetzen

Die deutsche Wirtschaft fordert die Aussetzung der globalen Mindeststeuer in Europa, um im Wettbewerb mit den USA nicht zurückzufallen.

Europa soll globale Mindeststeuer aussetzen

Europa soll globale Mindeststeuer aussetzen

Deutsche Wirtschaft wehrt sich gegen Sonderbelastung

wf Berlin

Die deutsche Wirtschaft und Wissenschaft dringen darauf, die globale Mindeststeuer in Europa wieder auszusetzen. Der globale Weg habe zu einer rein europäischen Lösung mit nur einer Handvoll weiterer Länder geführt, monierte die Steuerrechtlerin Johanna Hey beim BDI-Tax-Forum in Berlin. Es sei besser, bei der bekannten und bewährten nationalen Hinzurechnungsbesteuerung zu bleiben, um eine Mindestbelastung sicherzustellen, zeigte sich Hey überzeugt.

„Mehrdimensionales Problem“

Das Regime der globalen Mindeststeuer war unter der Regie der OECD entwickelt worden. Mehr als 140 Länder hatten sich zur Einführung verpflichtet, aber nur wenige sich daran gehalten. Christian Kaeser, Steuerchef von Siemens, erinnerte daran, dass die EU-Richtlinie zur Mindeststeuer die USA ins Boot holen sollte. Dies ist nicht gelungen, dafür aber laut Kaeser „ein mehrdimensionales Problem“ geschaffen worden. Hey bezeichnete die Steuer als so komplex, dass allenfalls große Unternehmen damit zurechtkämen.

Da Steuerrecht in Europa einstimmig beschlossen wird, gilt dies auch für eine Aussetzung. Formal muss die EU-Kommission initiativ werden. Kaeser nahm die deutsche Politik und die Mitgliedstaaten in die Pflicht: Diese hätten die EU-Richtlinie zu verantworten. Anfang März hatten sich die Finanzminister der CDU- und CSU-geführten Bundesländer dafür ausgesprochen, die Steuer auszusetzen, bis eine globale Lösung gefunden ist.

Missbrauchsparanoia im Steuerrecht

Für Hey gehört dieser Schritt zur dringend nötigen Bereinigung von Missbrauchsvorschriften im deutschen Recht. Sie sprach von einer „Missbrauchsparanoia“. Auch der Präsident des Bundesfinanzhofs, Hans-Josef Thesling, beklagte die Komplexität. Das Problem liege nicht nur in den hohen Kosten für die Unternehmen, sondern auch im Personalmangel. Thesling zufolge gelinge es fast nicht mehr, genügend Mitarbeiter und Experten zu gewinnen, „um diese Aufgabe angemessen erfüllen zu können“. Er rief Gesetzgeber und Finanzverwaltung zu mehr Pauschalierung auf und mahnte zur „Rückkehr zur Kultur des gegenseitigen Vertrauens“.

Steuern als Standortfaktor

Der Industrieverband BDI hatte rund 500 Entscheider aus Wirtschaft, Politik, Finanzverwaltung, Justiz, Wissenschaft und Beratung zum Austausch über die aktuelle Steuerpolitik zusammengebracht. Monika Wünnemann, Leiterin der BDI-Steuerabteilung, sprach von einer Konferenz der Wirtschaft für die Wirtschaft. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner erinnerte daran, dass Steuerpolitik ein wesentlicher Standortfaktor sei. Der Freiburger Ökonom Lars Feld unterstrich mit Blick auf die neue Weltordnung, in der Europa ohne die USA bestehen müsse, die Bedeutung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft. Die durchschnittliche Steuerbelastung sei hierzulande zu hoch. Die bislang aus den Koalitionsverhandlungen bekannten Pläne zur Senkung der Körperschaftsteuer von 15 % um einen Prozentpunkt im Jahr 2029 bezeichnete Feld als „mangelhaft“ und Kaeser als lächerlich. Hey warnte vor „Trippelschritten“.

Teure Entlastung

Die Überlegungen in der künftigen Koalition aus CDU, CSU und SPD zielen darauf, den Körperschaftsteuersatz auf 10 % zu senken, um die Unternehmen spürbar zu entlasten. Der Zeitplan ist aber offen. Der BDI forderte eine Gesamtbelastung von höchstens 25 % einschließlich Gewerbesteuer. Hey erinnerte daran, dass eine Körperschaftsteuersenkung vergleichsweise teuer für den Fiskus sei. Ein Punkt Körperschaftsteuer entspreche rund 3 Mrd. Euro. Gleichwohl müsse eine Entlastung des Körperschaftsteuersatzes in einem Schritt, höchstens zwei Schritten erfolgen, um Investitionen anzureizen.

Hey mahnte auch grundlegende Änderungen an. „Wir haben eine kranke Unternehmenssteuerstruktur“, sagt sie. Kein Land leiste sich zwei Unternehmenssteuern mit zwei unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen. Die Gewerbesteuer sei international nicht kompatibel. Eine „Expertenkommission Unternehmenssteuerreform“, der auch Hey angehörte, hatte im vergangenen Jahr strukturelle Reformen angeregt. Mit Blick auf die politische Umsetzbarkeit hatte die Kommission darauf verzichtet, die eigentlich angebrachte Abschaffung der Gewerbesteuer vorzuschlagen. Wiederholte Versuche, die Kommunalsteuer zu ersetzen, sind stets gescheitert. Die Experten hatten dafür eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer empfohlen. Aus fiskalischer Sicht müsste damit aber eine Steigerung des Körperschaftsteuersatzes von derzeit 15 % auf 25 % einhergehen.

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