Wachstumsaussichten in der Eurozone

Eurozone steckt in tiefer Investitionskrise fest

Unternehmen halten sich selbst bei dringlichen Investitionen zurück, die Produktivität sackt weg, die Modernisierung stockt. Das Fundament für mehr Wachstum zerbröselt – vor allem in Deutschland. Die EZB hat in zwei Aufsätzen vor den ökonomischen Folgen dieser Entwicklung gewarnt.

Eurozone steckt in tiefer Investitionskrise fest

Eurozone steckt in tiefer Investitionskrise fest

EZB-Auswertung: Hohe Energiekosten lassen Unternehmen eher sparen als investieren – Keine Fortschritte bei der Produktivität

Unternehmen halten sich selbst bei dringlichen Investitionen zurück, die Produktivität sackt weg, die Modernisierung stockt. Das Fundament für mehr Wirtschaftswachstum zerbröselt – vor allem in Deutschland. Die EZB hat in zwei Aufsätzen vor den ökonomischen Folgen dieser Entwicklung gewarnt.

lz Frankfurt

Die Unternehmen in der Eurozone halten sich weitgehend mit Investitionen zurück. Die Europäische Zentralbank spricht in ihrem Wirtschaftsbericht von „trüben Aussichten“ und einem „historischen Tiefstand“. Und diese Zurückhaltung dürfte auch im laufenden Jahr weiter anhalten, erwarten die Notenbanker. Umfragen legten den Schluss nahe, dass sich die Investitionsabsichten im verarbeitenden Gewerbe selbst in historischer Betrachtung (ohne Krisenzeiten) „in Grenzen“ hielten.

Noch Ende 2023 hätten Umfragen einen Anstieg wenigstens bei den Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen erwarten lassen. Jetzt geht man von einer Stagnation aus. Eine Verringerung der Investitionen für Kapazitätsausweitungen hatte sich allerdings schon länger abgezeichnet. In einer Umfrage der EU-Kommission, zitiert die EZB, habe sich dieser Anteil im verarbeitenden Gewerbe schon 2023 auf nur noch 20% reduziert. Das sei schon 20 Prozentpunkte niedriger als im Durchschnitt vor der Pandemie.

Unternehmensinvestitionen sind für die gesamte Wirtschaftsentwicklung entscheidend und gelten auch als Garant für künftiges Wachstum. Entweder, weil sie der Erweiterung dienen für eine höhere Produktion. Oder weil sie Innovationen fördern, die dann eine höhere Produktivität nach sich ziehen oder auch neue Märkte erschließen. Letztendlich sind Investitionen die Versicherung, dass ein Standort sich Zug um Zug für die industrielle Basis der Zukunft modernisiert.

Ein Grund für die niedrige Investitionsbereitschaft macht die EZB in den jüngsten Krisen aus. Die Pandemie, die Energiekrise mit enormen Preissprüngen und die anschließende Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hätten die Unternehmensinvestitionen im Euroraum 2023 deutlich verringert.

Energiekosten bremsen

Vor allem die hohen Energiekosten haben sich der EZB zufolge als das „größte langfristige Hindernis für Investitionen in Europa“ erwiesen. Investitionen werden dadurch gebremst. Dabei wären Investitionen nötig, um den Preissteigerungen entgegentreten zu können. Die Unternehmen geben hierbei ein klares Votum ab: „Obwohl die jüngste Krise in vielen Sektoren auch in Zukunft zusätzliche Investitionen erforderlich machen dürfte, um die Energieabhängigkeit zu verringern, scheinen längerfristige Rentabilitätsüberlegungen in den Sektoren, in denen die Energiekosten mehr als 10% der Gesamtkosten ausmachen, zunehmend dazu zu führen, dass Investitionen zurückgehalten werden“, schreibt die EZB.

Dabei wären mehr Investitionen gerade auch im Sinn des Green Deal der EU. Die jüngste Bestandsaufnahme der EU-Kommission lege nahe, dass deutlich höhere Investitionen – mindestens weitere 1,5% des EU-weiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr im Vergleich zum Zeitraum 2011 bis 2020 – erforderlich würden, um das längerfristige Ziel der EU von CO2-Neutralität zu erreichen, mahnt die EZB.

Zwischen den Ländern der Eurozone tut sich obendrein eine große Diskrepanz auf: Während die Investitionsabsichten in der Slowakei, in Spanien, Italien und Portugal deutlich nach oben weisen, stagnieren sie in Deutschland mehr oder weniger.

Mehr investiert wird in der Eurozone etwa im Bereich digitalen Technologien, wobei sich mit Blick auf die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI), Big Data und der Patentierung neuer Technologien aber auch hier noch eine „große Lücke gegenüber den Vereinigten Staaten“ auftut, warnt die EZB.

In der Regel treiben hohe Investitionsquoten die Produktivität von Arbeitsprozessen und helfen den Unternehmen, erfolgreicher am Markt agieren zu können. Mit der Investitionskrise sinkt daher auch die Produktivität. Aber dafür gibt es weitere Gründe, wie die EZB in einem anderen Aufsatz darlegt. Denn seit der Pandemie hat sich das Produktivitätswachstum teil dramatisch verlangsamt: Die durchschnittliche Produktivität je Beschäftigten ist seit dem vierten Quartal 2019 im Schnitt um 0,2% pro Jahr gesunken, verglichen mit einem durchschnittlichen Wachstum von 0,8% pro Jahr vor dem Coronavirus.

Produktivität sinkt deutlich

Mit dazu beigetragen hat nach Erkenntnissen der EZB die Beschäftigungssicherung in den Krisen. Höhere Gewinnmargen bei zugleich niedrigeren Reallöhnen, ein kräftiger Anstieg der Erwerbspersonenanzahl und eine geringe Anzahl an durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden hätten zu einem Beschäftigungsaufbau geführt. Allerdings verlören diese Faktoren jetzt zum Teil an Bedeutung, weil sich die Gewinne abschwächten und die Reallöhne anstiegen. Weitere Arbeitsmarktverbesserungen könnten daher erst dann erreicht werden, wenn die Produktivität wieder wächst, was ohne neue Investitionen indes schwerlich denkbar ist.


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