Inflation

Ex-Bundesbankchef Weber knöpft sich EZB und Fed vor

Auch nach Ende seiner Karriere bei Bundesbank und UBS ist Axel Weber ein gefragter Experte. Bei einer Finanzmarktkonferenz schießt er gegen die Notenbanken – und bekommt teils Widerspruch. 

Ex-Bundesbankchef Weber knöpft sich EZB und Fed vor

rec Mainz

– Der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber geht hart mit den führenden Notenbanken ins Gericht. Weil Europäische Zentralbank (EZB) und Federal Reserve zu lange untätig gewesen seien, müssten sie nun im Kampf gegen die Inflation überreagieren, sagte Weber bei einer Finanzmarktkonferenz mit Blick auf die Finanzstabilität. „Eine etwas tiefere Finanzkrise“ im nächsten Jahr halte er nicht für ausgeschlossen.

Webers Äußerungen belegen ein gewisses Unwohlsein über Kollateralschäden der unerwartet schnellen Zinswende in den USA und der Eurozone. Die Fed hat ihre Leitzinsspanne binnen eines Dreivierteljahres um 375 Basispunkte erhöht. Die EZB hat mit drei Schritten von in Summe 200 Basispunkten seit Juli nachgezogen. In Großbritannien ist es im Zuge der geldpolitischen Straffung zu Turbulenzen an den Finanzmärkten gekommen, als die Regierung zugleich zwischenzeitlich eine steigende Neuverschuldung plante.

Weber, bis zum Frühjahr zehn Jahre Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS und davor Präsident der Bundesbank, sieht weitere solcher „Tests“ auf Finanzmärkte und Notenbanken zukommen. Kräftige Zinserhöhungen hält er wegen der viel zu hohen Inflation zwar für geboten. Doch deren schnelle Abfolge findet er problematisch, weil die Märkte darauf nicht vorbereitet seien.

„Zu viel zu schnell“

„Die Geldpolitik hat zwei Riesenfehler gemacht“, kritisierte Weber auf der Risikomanagement-Konferenz von Union Investment in Mainz. Die Notenbanken hätten viel zu zögerlich auf die sich bildende Inflation reagiert. Sie hätten sich der „Illusion“ hingegeben, die Inflation werde auf ihr 2-Prozent-Ziel zurückkehren, ohne dass viel unternommen werden müsse. Inzwischen haben Fed und EZB umgesteuert und mehrmals im Takt von Dreiviertelprozentpunkten die Leitzinsen erhöht. Die Einsicht „zu wenig zu spät“ hätten sie abgelöst, indem sie nun „zu viel zu schnell“ täten, warf Weber Fed und EZB vor.

Mehr Verständnis für deren Lage brachte die frühere Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro auf. Sie sprach die EZB weitgehend frei von Verantwortung für die hohe Inflation. Hauptursache sei eine Aneinanderreihung von Angebotsschocks: Pandemie, Containerstaus, Ukraine-Krieg. Die Preisschübe in der Eurozone seien deshalb schwer vorhersehbar gewesen. Mehr Unterstützung bekam Weber von Christian Kopf, Leiter Renten bei Union Investment. Unter Währungshütern habe sich in Sachen Zinserhöhungen ein Herdenverhalten breitgemacht. Die Vorfälle an den britischen Staatsanleihemärkten seien ein „Vorbote“ für weitere Finanzstabilitätsprobleme.

Konsens war bei der Konferenz, dass mit Blick auf Inflation und Zinsen eine Zeitenwende eingesetzt habe. Die Inflation werde auf absehbare Zeit kaum auf das 2-Prozent-Inflationsziel von Fed und EZB zurückkehren. Der Umbau der Energieversorgung, das Rückverlagern von Lieferketten aus Fernost und Engpässe auf den Arbeitsmärkten würden allesamt zu strukturell steigenden Löhnen und Preisen führen, hieß es.

Als umstrittenes Instrument erweist sich das neue Anleihekaufprogramm TPI der EZB. Es versetzt die Notenbank in die Lage, jederzeit an den Euro-Staatsanleihemärkten einzugreifen, falls es im Zuge steigender Zinsen zu Verwerfungen für einzelne Länder wie Italien kommt. Die Ökonomin Weder di Mauro begrüßt das TPI: Es gebe der EZB mehr Handlungsspielraum. Dagegen echauffierte Weber sich über „ein vollkommen fehlgeleitetes Verständnis von Geldpolitik“, weil die EZB Marktsignale ausschalte. Der frühere Top-Banker, der nun das Frankfurter Center for Financial Studies (CFS) leitet, sagt EZB und Fed noch mehrere „Grenzerfahrungen“ voraus.

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