Klimapolitik

Exodus wegen Emissionshandel bleibt vorerst aus

Geht die Energiewende nach hinten los, indem Unternehmen hohe Auflagen hierzulande durch Produktionsverlagerung ins Ausland umgehen? In einer Studie hat die Bundesbank untersucht, ob steigende CO₂-Preise tatsächlich zu einem Firmen-Exodus führen. Ein überraschendes Ergebnis.

Exodus wegen Emissionshandel bleibt vorerst aus

Exodus wegen Emissionshandel bleibt aus

Bundesbank fahndet nach Ausweichreaktionen der Unternehmen wegen CO2-Preisen

lz Frankfurt

Unter Ökonomen gilt der Handel mit CO2-Zertifikaten, die man für die Emission dieses schädlichen Klimagases erwerben muss, als zentrales marktwirtschaftliches Element der Umweltpolitik. Die allermeisten ziehen dieses Instrument politischen Direkteingriffen in den Markt vor. Denn die Unternehmen entscheiden dann selbst, wie sie die Kosten drücken können – ob durch neue Technologien oder Schwenk zu anderen Energieträgern. Dabei wird in der Regel der effizienteste Weg gewählt, um das Klimagas zu vermeiden. Allerdings schwingt auch die Sorge mit, dass Unternehmen einen ganz anderen Weg gehen und ihre Produktion schlicht ins Ausland verlagern könnten, wo es diese strengen und teuren Auflagen nicht gibt.

Direktinvestitionen kaum beeinflusst

Die Bundesbank hat nun in einer Studie untersucht, ob es tatsächlich zu einer solchen Ausweichreaktion gekommen ist. Danach hatte der ansteigende CO2-Preis bislang zu keiner nachhaltigen Reaktion auf die Entwicklung der Direktinvestitionen ins außereuropäische Ausland geführt. Denn steigende Auslandsinvestitionen in bestimmten Bereichen könnten auf Produktionsverlagerungen deuten. Doch könnte eine solche Entwicklung auch überlagert worden sein durch die ebenfalls in dieser Zeit aufgekommene Covid-Pandemie oder den Überfall Russlands auf die Ukraine samt nachfolgender Energiepreisexplosion. Denn diese Ereignisse stellten die preislichen Auswirkungen des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) geradezu in den Schatten.

„Fit for 55“

Das EU-ETS wurde 2005 eingeführt und seitdem mehrfach reformiert. Größere Änderungen traten in den Jahren 2008, 2013, 2021 und zuletzt 2023 im Zuge des Maßnahmenpakets „Fit for 55“ in Kraft. Das Emissionshandelssystem beruht auf dem Prinzip „deckeln und handeln“ (cap and trade). Dabei legt die EU Emissionsobergrenzen (caps) an Treibhausgasen fest, und die Mitgliedstaaten geben entsprechende Emissionszertifikate aus, die am Markt handelbar sind (trade). Die Obergrenzen und damit die Berechtigungen, Treibhausgase zu emittieren, sinken im Zeitverlauf. Unter diesen Rahmenbedingungen stieg der Zertifikatspreis unter zum Teil starken Schwankungen auf zeitweise 100 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent und lag zuletzt bei circa 70 Euro pro Tonne.

Die Bundesbank hat auf der Basis unternehmensspezifischer Daten versucht herauszufiltern, ob der CO2-Preis nachweisbare Effekte auf Direktinvestitionsentscheidungen hatte. Neben den überlagernden Entwicklungen stellte sich dabei als Problem heraus, dass Unternehmen mit vergleichsweise hohen Treibhausgasemissionen schon vor den Reformen überdurchschnittlich im außereuropäischen Ausland präsent gewesen sind. Eine Produktionsverlagerung könnte also „schleichend“ erfolgen. Darauf könnte hindeuten, dass Unternehmen mit hohen Direktinvestitionsbeständen zuletzt weniger in die Verringerung der CO2-Emissionen investiert haben als Unternehmen, die wenig außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) unterwegs sind.

Investitionsanreize fehlen

Letzten Endes haben die Ökonomen bei ihren Analysen keine signifikanten Ausweichreaktionen feststellen können. Das könnte am noch recht kurzen Betrachtungszeitraum liegen, weil Investitionsentscheidungen über viele Jahre geplant werden. Oder weil zunächst „low hanging fruits“ bei der CO2-Vermeidung angegangen worden sind. Es gebe insoweit „noch keine allgemeine Entwarnung“, mahnen die Bundesbanker und betonen die Grenzausgleichsmechanismen, die dafür sorgen, dass nur Waren mit einer CO2-Abgabe belastet würden, die im EWR auf den Markt kommen.

Bürokratie und Planungssicherheit

Grundsätzlich fordern die Bundesbanker die Politik auf, Innovationen in grüne Technologie durch geeignete Rahmenbedingungen zu erleichtern und Investoren mehr Investitionsanreize zu bieten. „Idealerweise könnten dadurch teure Subventionen vermieden und stattdessen privates Kapital mobilisiert werden“, heißt es. Voraussetzungen seien aber „Planungssicherheit, zügige Genehmigungsverfahren und ein harmonisierter Kapitalmarkt“.