Der konjunkturelle Abwärtssog wird immer stärker
Die schwächelnde Weltkonjunktur hat die kleine Erfolgsserie der deutschen Exporteure zu Beginn der zweiten Jahreshälfte reißen lassen. Auch der Maschinenbau kommt nicht in Schwung und muss im Juli zweistellige Einbußen hinnehmen. Zugleich dämpft die schlechte Konjunkturstimmung jede Wirtschaftsdynamik: der Sentix-Konjunkturindikator sackte um 2,6 Punkte auf minus 21,5 Zähler. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Konjunkturaussichten wurden ungünstiger bewertet.
"Die Wirtschaft befindet sich damit weiter in der Rezession", sagte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner zur Umfrage unter 1220 Investoren seines Instituts. "Deutschland ist erneut 'der schwache Mann Europas'". Die enormen Unsicherheiten, die durch die Energie- und Stromkrise für die Unternehmen bestünden, würden die deutsche Konjunktur immer tiefer in die Rezession ziehen.
Die deutsche Wirtschaft ist drei Quartale in Folge nicht mehr gewachsen. Eine Trendwende ist Ökonomen zufolge vorerst nicht zu erwarten. Darauf deutet auch der Ifo-Geschäftsklimaindex hin, der wichtigste Frühindikator für die Entwicklung in Deutschland: Er gab zuletzt vier Monate in Folge nach.
Privater Konsum dümpelt vor sich hin
Der deutsche Einzelhandel blickt skeptisch auf die Stimmung der Verbraucher und erwartet in den nächsten Monaten keine Wachstumsimpulse vom privaten Konsum mehr. "Zum ersten Mal seit Oktober 2022 ist nicht einmal mehr ein marginaler Anstieg der Stimmung zu verzeichnen", erklärte der Handelsverband Deutschland (HDE) am Montag zu seinem Konsumbarometer. Dass die ohnehin schwache Erholung der Verbraucherstimmung im September nun zum Erliegen komme, markiere einen Wendepunkt. "Das könnte der Beginn einer Eintrübung der Konsumstimmung in Deutschland sein." Ob es zu einer Trendwende komme, dürften die nächsten Monate zeigen - abhängig von der gesamten Konjunktur. "Der private Konsum wird sich in den kommenden Monaten voraussichtlich nur schwach entwickeln und als Wachstumstreiber in diesem Jahr ausfallen."
Dies sehen die GfK-Marktforscher ähnlich. Die Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils geschrumpft und hatte im Frühjahr nur stagniert. Viele Fachleute erwarten sogar für das Gesamtjahr 2023 ein Schrumpfen. Firmen und Verbraucher leiden immer noch unter der mauen Weltkonjunktur, gestiegenen Zinsen und anhaltend hoher Inflation. Manche Ökonomen befürchten, dass Deutschland in der zweiten Jahreshälfte zurück in die Rezession rutschen könnte.
Exportimpulse sind implodiert
Auch die bisher noch zuverlässigen Impulse vom deutschen Export bleiben inzwischen aus. Die Ausfuhren fielen im Juli um 0,9% im Vergleich zum Vormonat auf 130,4 Mrd. Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Zuvor waren sie drei Monate gestiegen, wenn auch zuletzt zweimal nur leicht um jeweils 0,2%. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten allerdings mit einem kräftigeren Rückgang von 1,5% gerechnet.
Im Gesamtjahr 2022 hatte der deutsche Außenhandel auch wegen teils deutlicher Preiserhöhungen noch ein Rekordergebnis erzielt. Aktuell belastet die lahmende Weltwirtschaft Deutschlands Exportunternehmen.
"Nicht nur die globale Nachfrageschwäche macht den Unternehmen mehr und mehr zu schaffen", kommentierte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die Entwicklung. "Sie leiden auch unter der Erosion ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf den weltweiten Absatzmärkten." Die Importe legten dagegen überraschend deutlich zu: Sie stiegen im Juli um 1,4% zum Vormonat auf 114,5 Mrd. Euro und damit fast dreimal so stark wie von Volkswirten erwartet.
Analysten zufolge steigt angesichts der schwächelnden Exporte die Gefahr, dass Europas größte Volkswirtschaft im zweiten Halbjahr erneut in eine Rezession abrutscht. "Der Außenhandel ist nicht mehr der starke, widerstandsfähige Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft, der er einmal war, sondern ein Bremsklotz", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Reibungen in den Lieferketten und eine stärker fragmentierte Weltwirtschaft belasteten. "Dazu kommt die Tatsache, dass China zunehmend in der Lage ist, Waren zu produzieren, die es zuvor in Deutschland gekauft hat."
"Solange das weltwirtschaftliche Umfeld schwach ist, wird auch die deutsche Exportentwicklung angeschlagen bleiben", sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP-Bank. "Die Hoffnungen beruhen jetzt schon auf einer besseren konjunkturellen Entwicklung im kommenden Jahr. Es bedarf vor allem wieder geringeren Inflationsraten, um zu höheren Wachstumsraten zu kommen. Erst dann werden sich die privaten Konsumausgaben erholen können. Höhere Konsumausgaben wiederum sind dann auch der Schlüssel für eine insgesamt höhere gesamtwirtschaftliche Nachfrage, wodurch dann am Ende auch die Industrie und die Exporte profitieren."
Auch Exportstimmung trübt sich weiter ein
Die Ausfuhren in die EU-Staaten legten diesmal um 0,5% zum Vormonat auf 71,9 Mrd. Euro zu, während das übrige Auslandsgeschäft um 2,5% nachgab. Abnehmerland Nummer eins blieben die USA: Dorthin wurden Waren im Wert von 13,5 Mrd. Euro verkauft, ein Anstieg von 5,2% - und das, obwohl das hohe Zinsniveau die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" eher dämpft. Die Exporte nach China nahmen ebenfalls zu, und zwar um 1,2% auf 8,3 Mrd. Euro. In der Volksrepublik schwächelt die Konjunktur angesichts der schwelenden Immobilienkrise. Die Ausfuhren nach Großbritannien fielen dagegen, während die nach Russland ungeachtet der westlichen Sanktionen infolge des Krieges gegen die Ukraine um 2,2% auf 0,7 Mrd. Euro zunahmen.
Eine Trendwende dürfte vorerst ausbleiben, hat sich die Stimmung in der deutschen Exportindustrie zuletzt weiter leicht verschlechtert hat. Das Barometer für deren Erwartungen für das Auslandsgeschäft fiel im August auf minus 6,3 Punkte, von minus 6,0 Punkten im Juli, so das Münchner Ifo-Institut zu seiner monatlichen Umfrage. "Die deutschen Exporteure kämpfen weiterhin mit einer schwachen Weltnachfrage", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Zudem beklagten immer mehr Unternehmen, dass ihre weltweite Wettbewerbsfähigkeit leide.
Abwärtstrend wird von Maschinenbauern verstärkt
Die deutschen Maschinenbauer verzeichneten auch im Juli mit einem preisbereinigten Rückgang von 11% zum Vorjahresmonat ein zweistelliges Minus, wie der Branchenverband VDMA am Montag in Frankfurt mitteilte. "Die Unternehmen verbuchen zwar immer noch Umsatzsteigerungen", ordnete VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers ein. Nach Verbandsangaben legten die Erlöse im Juli preisbereinigt (real) um 3% und nominal um 11% zu. "Doch mangels ausreichender neuer Aufträge nehmen die Auftragsbestände und damit noch vorhandene Puffer für Produktion und Umsatz sukzessive ab", sagte Wiechers.
Aus dem Inland kamen im Juli 8% weniger Aufträge, aus dem Ausland waren es 13% weniger als ein Jahr zuvor. Das Minus aus den Nicht-Euro-Ländern sei in dem Monat mit 15% deutlich höher gewesen als der Rückgang aus den Euro-Staaten mit 7%, erläuterte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).
Im Gesamtjahr 2022 hatte ein Einbruch der Bestellungen im Schlussquartal die Jahresbilanz der deutschen Schlüsselindustrie mit mehr als einer Million Beschäftigten ins Minus gedrückt: Der Auftragseingang lag real um vier Prozent unter dem Vorjahreswert.
Für dieses Jahr rechnet der VDMA mit einem Rückgang der Produktion um real 2%. Selbst wenn sich der Auftragseingang fangen sollte, werde das nicht reichen, um das Vorjahresergebnis bei der Produktion zu erreichen, hatte Wiechers vor einigen Wochen gesagt.