Geldpolitik

EZB-Aufsatz legt größeren Spielraum für Zinssenkungen nahe

Der natürliche Zinssatz, der die Wirtschaft weder antreibt noch bremst, ist wohl niedriger als gedacht, haben EZB-Ökonomen herausgefunden. Die Notenbank kann jetzt mehr für die Konjunktur tun.

EZB-Aufsatz legt größeren Spielraum für Zinssenkungen nahe

EZB-Aufsatz legt größeren
Zinssenkungsspielraum nahe

„Natürlicher Zins“ wohl etwas niedriger als bislang gedacht

lz Frankfurt

Der „natürliche Zins“, bei dem die Wirtschaft weder stimuliert noch abgebremst wird, scheint tendenziell etwas niedriger zu liegen, als zuletzt angenommen. In einer Modellrechnung der EZB-Ökonomen, die jetzt veröffentlicht worden ist, gehen die Autoren davon aus, dass sich der Wert irgendwo zwischen 1,75 und 2,25% befindet. Mit Blick auf den Leitzins von aktuell 2,75% wären insofern noch zwei Lockerungsschritte von jeweils 25 Basispunkte notwendig, um zumindest an das obere Niveau der Spannbreite heranzukommen, wo der Zins weder inflationär noch deflationär wirkt.

Der neutrale Zins spielt für die Geldpolitik deshalb eine wichtige Rolle, weil die Notenbanker bei ihren Entscheidungen wissen müssen, welche Wirkungen die aktuelle Geldpolitik auf die Wirtschaft hat. Allerdings lässt sich der natürliche bzw. neutrale Zinssatz nicht exakt berechnen, sondern nur auf der Basis von volkswirtschaftlichen Modellen schätzen. Auch im aktuellen Aufsatz sprechen die Autoren von großen „inhärenten Unsicherheiten“ und „konzeptionellen Mängeln“ bei der Bestimmung und – je nach Modell – großen Abweichungen.

Lagarde signalisiert Lockerung

Die EZB hatte auf ihrer jüngsten Zinssitzung Ende Januar den Leitzins um einen Viertelpunkt auf 2,75% zurückgenommen. Es war bereits die fünfte Lockerung, seit sie im Juni 2024 angesichts einer nachlassenden Inflation auf einen Zinssenkungskurs umgeschwenkt war. Lagarde signalisierte auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss, dass die EZB ihren Zinssenkungskurs fortsetzen werde. Einigkeit herrscht im EZB-Rat zudem, dass das aktuelle Zinsniveau immer noch restriktiv wirkt. Die nächste Zinsentscheidung steht am 6. März an.

Zuletzt blickten die Ratsmitglieder vor allem auf die hartnäckig hohe Inflation bei den Dienstleistern, die Entwicklung der Energiepreise und der Löhne. Um wieder stärker zu wachsen, wäre in der Industrie indes eher ein niedrigeres Zinsniveau erwünscht. Mit den neuen Daten zum natürlichen Zins könnten die Ratsmitglieder nun auch Zinssenkungen bis auf 2% rechtfertigen. Zumal im EZB-Papier von „weiterhin bestehenden Risiken“ im Falle großer disinflationärer Schocks die Rede ist.

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