Zinsentscheid

EZB leitet Zinswende ein

Die EZB senkt die Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte – die Entscheidung fällt allerdings nicht einstimmig. Eine zweite Lockerung bereits im Juli erscheint Beobachtern inzwischen unwahrscheinlicher.

EZB leitet Zinswende ein

EZB leitet Zinswende ein Nächster Schritt bleibt offen

Höhere Prognose für Inflation – Entscheidung nicht einstimmig

mpi Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt zwar wie allseits erwartet die Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte, wartet aber doch mit Überraschungen auf. Unerwartet kräftig revidiert sie ihre Prognosen für die Inflation im laufenden und kommenden Jahr nach oben. Dies gilt auch für die Kernrate, die als guter Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck gilt. Sie ist für die EZB bei der Steuerung der Geldpolitik ein wichtiger Indikator.

Die Volkswirte der EZB revidierten die Prognose für die Kernrate 2024 von 2,6 auf 2,8% nach oben. Für 2025 erwarten sie nun 2,2 statt 2,1%. Ökonomen betrachten die angepassten Prognosen mehrheitlich als Signal dafür, dass bei der kommenden Zinssitzung im Juli eher keine weitere Zinssenkung anstehen dürfte. Zumal die Notenbank auch die Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr von 0,6 auf 0,9% angehoben hat – ebenfalls deutlicher als erwartet.

Die EZB selbst vermeidet hingegen jegliche Festlegung mit Blick auf die kommenden Sitzungen. „Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest“, heißt es im Kommuniqué der Notenbank. Dies bekräftigte Notenbankpräsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz.

Entscheidung der EZB nicht einstimmig

Zugleich sendete die Notenbank auf den ersten Blick widersprüchliche Signale aus. Obwohl sie die Inflationsprognosen anhob, sagte Lagarde: „Insgesamt ist unsere Zuversicht mit Blick auf die Disinflation in den letzten Monaten gestiegen.“ Sie erwähnte auf der Pressekonferenz explizit die Inflationsprognose für das vierte Quartal 2025, die mittlerweile durchgängig zwischen 1,9% und 2,0% schwanke. Das genügt der EZB offenbar, um zuversichtlicher zu sein, dass sie ihr Inflationsziel bis 2025 erreichen wird.

Die Debatte über die weitere Geldpolitik dürfte innerhalb des EZB-Rats dennoch an Fahrt gewinnen. Ein Ratsmitglied war mit der Entscheidung einer Zinssenkung um 25 Basispunkte nicht einverstanden. Ob der Notenbanker lieber mehr oder überhaupt nicht gelockert hätte, ließ Lagarde auf Rückfrage offen. Das Ratsmitglied dürfte sich demnächst öffentlich äußern, deutete die Notenbankpräsidentin an.

Auch bei der Diskussion um das neutrale Zinsniveau in der Eurozone, bei dem die Wirtschaft weder abgebremst noch stimuliert wird, herrscht keine Einigkeit im Rat. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte zuletzt argumentiert, dass der neutrale Zins aufgrund der Energiewende und des digitalen Wandels deutlich höher liegen könnte als früher. Die Geldpolitik könnte daher weniger restriktiv als gedacht sein. Eine Einschätzung, die andere Ratsmitglieder zurückwiesen.


Mehr zum Thema:

Kommentar zum Zinsentscheid

Nebenstehender Kommentar Schwerpunkt Seite 8
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.