Geldpolitik

EZB prognostiziert starkes Lohnwachstum

Der deutliche Rückgang der Euro-Inflation hat Hoffnungen auf eine weniger aggressive Geldpolitik der EZB geschürt. Die Euro-Notenbanker sorgen sich aber um eine Lohn-Preis-Spirale. Eine neue EZB-Analyse verstärkt diese Sorge nun tendenziell.

EZB prognostiziert starkes Lohnwachstum

ms Frankfurt

Nach einem zuletzt eher moderaten Lohnwachstum erwartet die Europäische Zentralbank (EZB) für die nächsten Quartale ein „sehr starkes“ Lohnwachstum. Das geht aus einer am Montag vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht hervor, der am Donnerstag in Gänze publik gemacht wird. Die Einschätzung dürfte die Sorgen vieler Euro-Notenbanker vor einer Lohn-Preis-Spirale verstärken und spricht für weitere Zinserhöhungen – selbst wenn die Inflation im Euroraum in den nächsten Monaten tendenziell zurückgehen dürfte.

Die Entwicklung der Löhne steht derzeit im absoluten Fokus der EZB. Hintergrund ist die Sorge, dass die hartnäckig hohe Inflation zu allzu stark anziehenden Löhnen führt und sich letztlich Preise und Löhne gegenseitig hochschaukeln. Im Oktober hatte die Euro-Inflation das Rekordhoch von 10,6% erreicht. Seitdem hat sie zwar deutlich und auch stärker als erwartet nachgegeben – auf 9,2% im Dezember. Dahinter stecken vor allem zuletzt sinkende Energiepreise. Die Teuerung liegt aber immer noch sehr weit über dem EZB-Inflationsziel von 2,0%, und die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel kletterte im Dezember sogar auf einen Rekordwert von 5,2%.

Vor allem bei Finanzmarktakteuren hat die sinkende Gesamtinflation Hoffnungen verstärkt, dass die EZB künftig eine weniger aggressive Geldpolitik verfolgen könnte. Zwischen Juli und Dezember 2022 hatte der EZB-Rat seine Leitzinsen um 250 Basispunkte und damit so aggressiv wie nie zuvor erhöht. Für 2023 hatte der Rat im Dezember weitere Zinserhöhungen avisiert. Ende vergangener Woche hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane gesagt, dass die Inflation mit der Entspannung bei der Energie nicht verschwinden werde. Zudem sagte er, dass es mehrere Jahre dauert, bis sich die Löhne und Gehälter vollständig an die jüngsten Schocks angepasst haben. Die Beobachtung der Löhne sei ein wichtiger Bestandteil des Verständnisses der Inflationsentwicklung.

Das macht die neuen Analysen umso interessanter. Eine Untersuchung der Lohnentwicklungen seit Beginn der Pandemie zeige, dass der zugrundeliegende Lohnzuwachs „relativ moderat“ gewesen sei und derzeit nahe an seinem langfristigen Trend liege, so die EZB-Experten in dem Artikel. Mit Blick auf die kommenden Quartale sei jedoch zu erwarten, dass das Lohnwachstum „im Vergleich zu historischen Mustern sehr stark“ sein werde. „Dies spiegelt robuste Arbeitsmärkte wider, die bisher nicht wesentlich von der Konjunkturabschwächung betroffen waren, sowie Erhöhungen der nationalen Mindestlöhne und einen gewissen Aufholprozess zwischen Löhnen und hohen Inflationsraten“, heißt es in der Analyse. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zum Jahreswechsel gesagt, dass die Löhne wohl stärker steigen dürften als erwartet und die EZB aufpassen müsse, dass die Löhne nicht anfangen, die Inflation anzuheizen,

In dem neuen Artikel weist die EZB nun aber auch darauf hin, dass die aktuelle Konjunkturabkühlung wahrscheinlich dafür sorgen werde, dass das Lohnwachstum nicht aus dem Ruder laufe. Zwar seien die Reallöhne inzwischen im Vergleich zur Zeit von vor der Corona-Pandemie erheblich gesunken. Dies könne Gewerkschaften unter Druck setzen, in den kommenden Tarifrunden stärkere Lohnanstiege zu verlangen. Der Kaufkraftverlust sei aber nur ein Faktor, der sich auf die Lohnforderungen der Gewerkschaften auswirke. „Die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt und die aktuelle Wirtschaftslage dürften ebenfalls eine zentrale Rolle spielen“, so die EZB-Experten.

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