Geldpolitik

EZB sorgt für Wirbel und Spekulationen

Die EZB steht vor ebenso entscheidenden wie kritischen Wochen. Ausgerechnet jetzt sorgen neue Wortmeldungen für Spekulationen – und ein kolportiertes Treffen von Chefvolkswirt Lane mit Volkswirten für Wirbel.

EZB sorgt für Wirbel und Spekulationen

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zu Wochenschluss gleich in doppelter Hinsicht für viel Aufsehen gesorgt. Zum einen heizten Aussagen diverser Notenbanker zu einer womöglich höheren Inflation als bislang erwartet die Debatte über die Zukunft der ultralockeren Geldpolitik im Euroraum gehörig an. Zum anderen löste ein bekannt gewordenes Gespräch von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane mit Volkswirten, in dem es ebenfalls um die Inflationsperspektiven ging, eine neuerliche Diskussion über die Kommunikationspraxis der EZB aus.

Für die EZB kommt beides eher zur Unzeit, weil sie vor ebenso entscheidenden wie kritischen Wochen steht. Für Dezember hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Entscheidung über das 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP avisiert – und damit indirekt über die Geldpolitik insgesamt. Die Meinungen im EZB-Rat über das Ausmaß der nötigen geldpolitischen Unterstützung gehen dabei zunehmend auseinander. Zudem nimmt auch die öffentliche Kritik am EZB-Kurs zu.

Am Freitag sagten nun gleich mehrere EZB-Ratsmitglieder, dass die Inflation künftig höher ausfallen könnte als bislang gedacht. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos verwies dabei etwa auf die anhaltenden Lieferengpässe und möglicherweise stärker steigende Löhne. Der irische Zentralbankchef Gabriel Makhlouf sagte explizit, dass einige im Rat speziell die jüngst aktualisierte Inflationsprognose der EZB-Volkswirte für 2023 von 1,5% für zu niedrig halten. Sie ist von zentraler Be­deu­tung für den Inflationsausblick. Auch Lettlands Zentralbankchef Martins Kazaks sprach am Freitag von „Aufwärtsrisiken“ für die Inflation.

Zwar sagten alle Notenbanker zugleich, dass sie weiter davon ausgingen, dass der aktuell starke Inflationsanstieg vor allem vorübergehend sei. Im August ist die Inflation auf 3,0% hochgeschnellt. Die EZB strebt 2,0% an. Trotzdem signalisieren die Aussagen, dass es eine zu­nehmende Debatte im Rat über den Inflationsausblick und die Risiken gibt – zumal sie nicht von den größten Hardlinern („Falken“) kommen.

Die Aussagen sorgten am Freitag für umso mehr Aufsehen, als schon ein Bericht der „Financial Times“ Wirbel ausgelöst hatte. Die Zeitung hatte berichtet, dass EZB-Chefvolkswirt Lane bei einem Privatgespräch mit deutschen Volkswirten interne Überlegungen offengelegt habe, wonach die Notenbank ihr Inflationsziel von 2,0% bis 2025 erreichen dürfte. Die Zeitung spekulierte auf dieser Basis, dass bereits 2023 Zinserhöhungen der EZB denkbar seien – viel früher als bislang gedacht.

Die EZB wies den Bericht zurück. Der Bericht sei „nicht genau“, sagte ein Sprecher. Lane habe bei keiner Gelegenheit bei Treffen mit Analysten Entsprechendes geäußert. Zu der erwähnten Jahreszahl 2025 schwieg sich der Sprecher aber aus.

Tatsächlich gibt es intern in der EZB sehr wohl Modelle für einen längerfristigen Ausblick als die veröffentlichte Voraussage, die derzeit bis 2023 reicht. Diese tendieren aber in der Regel immer dazu, beim Zielwert von 2% zu landen. Eine Zinserhöhung bereits 2023 wäre jedenfalls nicht in Einklang mit dem unlängst verschärften Zinsausblick (Forward Guidance), der Zinserhöhungen auf Sicht von fünf bis sechs Jahren eher ausgeschlossen hatte.

Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold forderte am Freitag, solche exklusiven Treffen künftig zu untersagen. Die EZB hält den Austausch mit Marktakteuren aber für zentral – weswegen sie auch nach früheren Problemen wegen solcher Treffen von dieser Praxis nicht gänzlich Abstand genommen hat.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.