Geldpolitik

EZB spielt Inflationsanstieg herunter

Auch im Euroraum hat die Inflation seit Jahresbeginn kräftig und stärker als erwartet zugenommen. Die EZB ficht das aber nicht an – sie kauft unverdrossen mit erhöhtem Tempo Anleihen auf.

EZB spielt Inflationsanstieg herunter

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hält den unerwartet starken Inflationsanstieg im Euroraum nach wie vor für ein temporäres Phänomen und sieht die Teuerung auf mittlere Sicht weiterhin deutlich unterhalb des eigenen Inflationsziels von aktuell knapp 2%. Das machten EZB-Präsidentin Christine Lagarde und die neuen Projektionen der EZB-Volkswirte am Donnerstag deutlich. Vor allem deshalb hielt der EZB-Rat auch an dem erhöhten Kauftempo beim Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP fest. Zugleich betonte Lagarde aber einen gewissen Aufwärtstrend beim zugrundeliegenden Preisdruck – und wies damit auch Fragen nach mehr geldpolitischer Unterstützung zurück.

Seit Jahresbeginn hat auch die Inflation im Euroraum kräftig und stärker als erwartet zugenommen. Im Mai lag die Teuerungsrate mit 2,0% sogar erstmals seit Oktober 2018 oberhalb des aktuellen EZB-Inflationsziels von mittelfristig unter, aber nahe 2%. Dafür zeichnen vor allem Basis- und Sondereffekte verantwortlich, und die EZB erwartet bereits 2022 wieder eine Normalisierung – weswegen sie keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik in Betracht zieht. Die Zweifel und die Kritik am EZB-Kurs nehmen aber zu.

EZB-Präsidentin Lagarde sagte am Donnerstag, dass der EZB-Rat bis Herbst mit weiter steigenden Inflationsraten rechne. Tatsächlich scheinen dann Raten von bis zu 3% möglich. Verantwortlich dafür seien aber temporäre Faktoren wie die Energiepreisentwicklung und das Auslaufen der temporären Mehrwertsteuer in Deutschland, sagte Lagarde. In Deutschland hält die Bundesbank im Jahresverlauf sogar Raten von mehr als 4% für denkbar. Bereits Anfang 2022 sei dann aber wieder eine Normalisierung der Inflation zu erwarten, so Lagarde. Die Einschätzung teilt auch die Bundesbank. Als ein Argument gegen einen dauerhaften Trend gilt der geringe Lohndruck.

Dieses Bild deckt sich auch mit den neuen Projektionen der EZB-Volkswirte. Im Vergleich zu März schraubten sie ihre Inflationsprognosen für 2021 und 2022 deutlich nach oben – von 1,5% auf 1,9% für das Jahr 2021 und von 1,2% auf 1,5% für das Jahr 2022. Für 2023 blieb es aber bei 1,4%. Das Ende des Projektionszeitraums gilt wegen der mittelfristigen Ausrichtung des EZB-Ziels und des geldpolitischen Horizonts als von besonderer Bedeutung.

Mehrfach betonte Lagarde am Donnerstag aber, dass es bei der Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel eine gewisse Aufwärtsbewegung gebe. Die EZB-Volkswirte schraubten da ihre Erwartungen für 2021 bis 2023 um 0,1 bis 0,2 Punkte herauf – auf 1,1%, 1,3% und 1,4%. Diesen Trend nannte Lagarde auch als Argument, als sie gefragt wurde, warum der EZB-Rat trotz der Zielverfehlung bis ins Jahr 2023 hinein die Anleihekäufe nicht noch verstärke.

Allerdings beschloss der EZB-Rat, auch im dritten Quartal am erhöhten PEPP-Kauftempo festzuhalten. Die Käufe würden wie im zweiten Quartal „deutlich umfangreicher“ ausfallen als zu Jahresbeginn. Im dritten Quartal hatte das Kaufvolumen bei rund 80 Mrd. Euro pro Monat gelegen, gegenüber 60 Mrd. Euro im Februar. Einige Notenbanker hatten zu­vor und auch in der Sitzung mit einer Drosselung geliebäugelt. Die Mehrheit im Rat fürchtet aber weiter einen starken Anstieg der Marktzinsen.

Daran ändert auch nichts, dass sich das Konjunkturbild aufgehellt hat. Die EZB-Volkswirte schraubten ihre Projektionen für 2021 und 2022 deutlich nach oben (siehe Grafik) – um jeweils 0,6 Punkte. Lagarde sagte aber, die Unsicherheit wegen der Pandemie sei weiter groß. Nötig sei weiter „eine umfangreiche geldpolitische Akkommodierung“.