EZB untermauert Sorge über Euro-Fiskalpolitik
ms Frankfurt
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Sorge untermauert, dass eine allzu expansive Fiskalpolitik im Euroraum das Inflationsproblem noch verschärft. In einer am Dienstag vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht kommen EZB-Experten zu dem Schluss, dass die staatlichen Hilfen in vielen Euro-Ländern gegen die hohen Energiepreise im laufenden Jahr zu einer expansiveren Fiskalpolitik führen als bislang von der EU-Kommission unterstellt. Vor dem Hintergrund erneuern sie auch ihre Forderung, die Hilfen zielgerichteter zu gestalten.
In den vergangenen Wochen haben sich die Stimmen aus dem EZB-Rat gemehrt, dass die Euro-Staaten mit ihrer Politik das Preisproblem verschärfen – verbunden mit der Warnung, dass die Geldpolitik dann gegebenenfalls noch stärker gestrafft werden muss. Im Fokus steht auch Deutschland mit seinem 200-Mrd.-Euro-Abwehrschirm gegen die Energiekrise. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte Ende September gesagt, dass nur 10 bis 20% der Hilfen so maßgeschneidert wie nötig seien.
In ihrer neuen Analyse betont die EZB nun, dass die Fiskalpolitik 2023 deutlich expansiver sein werde als von der EU-Kommission eingeschätzt – wegen der Energiehilfen: „Die jüngsten von Experten des Eurosystems erstellten Projektionen enthalten einen deutlich größeren Betrag an energiebezogenen Unterstützungsmaßnahmen als im Basisszenario der Kommission, was auf einen expansiven finanzpolitischen Kurs im Jahr 2023 hindeutet.“ Die EZB-Experten beziffern den fiskalischen Impuls dieser Maßnahmen auf 2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Kommission war dagegen im Herbst nur von 0,9% ausgegangen. Laut EZB liegt ein Grund für diese große Differenz in einem späteren Stichtag.
Die EZB erneuert deshalb auch ihr Plädoyer für eine sehr zielgerichtete Fiskalpolitik: „Um zu gewährleisten, dass die Finanzpolitik den Inflationsdruck nicht erhöht und gleichzeitig die Tragfähigkeit der Schulden und die Wachstumsfreundlichkeit der öffentlichen Finanzen sichert, ist es wichtig, dass die Maßnahmen zielgerichtet, maßgeschneidert und befristet sind.“ Aus geldpolitischer Sicht müssten die Energiestützungsmaßnahmen gemäß diesen Vorgaben „weiter angepasst werden“.
In einer zweiten am Dienstag veröffentlichten Analyse schlussfolgern EZB-Experten derweil, dass die Inflation in den USA in den nächsten zwei Jahren höher und hartnäckiger sein werde als im Euroraum. Verantwortlich dafür sei zum einen, dass die US-Inflation stärker von der Nachfrageseite getrieben sei, was sich auch in einer höheren Kernrate ohne Energie und Lebensmittel zeige (siehe Grafik). Zudem seien die Wachstumsaussichten in den USA besser.