EZB-Zinskurs erzielt gewünschte Wirkung
mpi Frankfurt
Die Kreditvergabe im Euroraum an Unternehmen dürfte auch in den kommenden Monaten weiter nachlassen, nachdem sie bereits im letzten Quartal 2022 deutlich gesunken war. „Eine Trendwende liegt noch nicht vor“, sagte Nicole Binder von der Bundesbank. Sie arbeitet am Bank Lending Survey (BLS) mit, den die Europäische Zentralbank (EZB) viermal im Jahr veröffentlicht. Dazu befragen die nationalen Notenbanken – wie die Bundesbank – Kreditinstitute in ihrem Land zu Angebot und Nachfrage nach Krediten.
Die Bundesbank stellt dabei Unterschiede zwischen Deutschland und der Eurozone fest. Die deutschen Banken haben nach eigenen Angaben ihre Kreditrichtlinien zuletzt weniger stark verschärft und erwarten für das erste Quartal 2023 einen im Vergleich lockereren Kurs. Während netto 20% der deutschen Banken zum Jahresende restriktiver bei der Kreditvergabe wurden und netto rund 15% für die kommenden Monate mit einer Verschärfung rechnen, waren es im Euroraum jeweils circa 25%. Auch bei der Nachfrage gibt es Unterschiede – in Deutschland ist das Interesse geringer.
Den Trend aber haben Deutschland und die Eurozone gemeinsam: Die Kreditvergabe dürfte in den kommenden Monaten restriktiver werden und erst im weiteren Jahresverlauf wieder steigen. „Die zinspolitische Straffung der EZB zeigt damit die gewünschte Wirkung“, so Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich. Mit den beispiellosen Zinserhöhungen von insgesamt 300 Basispunkten in weniger als einem Jahr hat die EZB die Kreditnachfrage stark reduziert. Das ist seitens der Zentralbank gewünscht, weil sie die wirtschaftliche Aktivität dämpfen will, um auch auf diesem Weg die viel zu hohe Inflation zu drücken. „Wir kommen zu dem Schluss, dass die Wirkungen der Zinserhöhungen auf die Banken im angemessenen Rahmen sind“, sagte Ulbrich. Die gestiegenen Kreditrisiken würden bei der Kreditvergabe ausreichend berücksichtigt.
Mit der erwarteten Lockerung der Geldpolitik im weiteren Jahresverlauf dürfte dann auch die Kreditvergabe laut Bundesbank wieder wachsen. „Ab der Jahresmitte rechnen wir mit einer Erholung“, sagte Ulbrich. Der Ökonom ist insgesamt optimistisch, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten im zweiten Halbjahr zunehmen. Exporte, Konsumnachfrage und Investitionstätigkeiten dürften laut Ulbrich anziehen, so dass es gut möglich sei, dass das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands 2023 nicht sinken werde. Eine größere Baustelle hat er aber ausgemacht: den Immobilienmarkt. Die Kredite für den privaten Wohnungsbau waren zuletzt stark eingebrochen, und auch wenn der BLS hier ebenfalls eine Erholung prognostiziert, dürfte dies ein Schwachpunkt für die deutsche Wirtschaft bleiben.