EY-Umfrage

Fast jedes zweite Industrieunternehmen will ins Ausland

Fast jedes zweite deutsche Industrieunternehmen will laut einer EY-Umfrage ins Ausland expandieren. So gehen Jobs und Wirtschaftswachstum verloren. Regulatorik und Politik gelten neben dem Fachkräftemangel als größte Hemmnisse, im Gegensatz zur oft diskutierten mangelnden Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer.

Fast jedes zweite Industrieunternehmen will ins Ausland

Fast die Hälfte plant Expansion im Ausland

EY-Umfrage: Rund ein Drittel der Industrieunternehmen will Jobs verlagern − Kaum Investitionen in Deutschland

ba Frankfurt

Fast jedes zweite deutsche Industrieunternehmen will laut einer EY-Umfrage ins Ausland expandieren. So gehen Jobs und Wirtschaftswachstum verloren. Regulatorik und Politik gelten neben dem Fachkräftemangel als größte Hemmnisse, im Gegensatz zur oft diskutierten mangelnden Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer.

Bürokratie, Fachkräftemangel, politische Fehlentscheidungen und die hohen Energiekosten: Die Gründe, warum die deutsche Wirtschaft nicht vorankommt, sind zahlreich und so will fast jedes zweite Industrieunternehmen lieber im Ausland als hierzulande investieren. Dementsprechend gehen Arbeitsplätze verloren. Dass Jobs wieder rückverlagert werden, hat hingegen Seltenheitswert, wie eine EY-Umfrage unter Top-Managern von 115 deutschen Industrieunternehmen ergeben hat. Und während die aktuelle wirtschaftliche Lage mehrheitlich düster gesehen wird, halten sich die Aussagen auf Sicht von fünf Jahren die Waage.

„Industrie sendet Alarmsignale“

„Die deutsche Industrie sendet Alarmsignale“, sagt Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland. Angesichts düsterer Konjunkturaussichten auf dem Heimatmarkt orientierten sich viele Unternehmen ins Ausland, um dort von besseren Rahmenbedingungen zu profitieren. „Für den Standort Deutschland heißt das: weniger Umsatz, weniger Arbeitsplätze, weniger Investitionen.“

Jobs entschwinden ins Ausland

45% der Befragten planen, neue Standorte außerhalb Deutschlands zu errichten. Neue Standorte im Inland wollen hingegen lediglich 13% aufbauen. Nachdem mit der Expansion ins Ausland häufig auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen verbunden ist, werden 29% der Unternehmen voraussichtlich Arbeitsplätze von Deutschland ins Ausland verlagern. Dagegen planen lediglich 4% der Industriefirmen, Jobs aus dem Ausland zurück nach Deutschland zu verlagern. Daher dürften unterm Strich in den kommenden Jahren Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen. Dass 63% der Manager derart geantwortet haben, sei „angesichts der sehr kritischen Beurteilung der Aussichten am Standort Deutschland wenig verwunderlich“, heißt es bei EY. So würden insgesamt 84% der Befragten die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland negativ bewerten, davon 23% sogar sehr negativ. Der Blick in die Zukunft fällt zwiegespalten aus: 48% der Manager rechnen mit einer Verbesserung der Wirtschaftslage in den kommenden fünf Jahren, mit 49% erwarten aber etwa ebenso viele keine Verbesserung.

Politik bremst

Als Bremsfaktor Nummer Eins gelten den Befragten regulatorische und politische Hürden hierzulande. 70% der Unternehmen bezeichneten bürokratische Vorgaben als eines der drei wichtigsten Hindernisse für eine wirtschaftliche Erholung. 49% bezeichnen der Studie zufolge „politische Fehlentscheidungen als Wachstumskiller“, 26% bezeichnen derart eine ineffiziente Verwaltung. Brorhilker fordert angesichts des Dschungels an Vorschriften und Reporting-Vorgaben, die die Industrie erstickten, von der Politik ein Entrümpeln der Vorschriften und schnellere Genehmigungsverfahren. Statt großer industriepolitischer Entwürfe brauche es Schnelligkeit, Pragmatismus und Unternehmerfreundlichkeit. Denn Unternehmen gingen dahin, „wo ihnen schnell und unbürokratisch geholfen wird: ins Ausland. Wir brauchen dringend eine neue Willkommenskultur für Industrieunternehmen.“

Gutes Zeugnis für Arbeitnehmer

Den Arbeitnehmern stellen die Manager ein gutes Zeugnis aus: „Es ist keineswegs so, dass die Beschäftigten in Deutschland nicht motiviert und leistungsbereit sind“, so Brorhilker. Das Problem liege vielmehr darin, dass die Qualifikationen, die von den Unternehmen gesucht werden, immer weniger zur Verfügung stehen. Das Bildungs- und Ausbildungssystem müsse daher verstärkt auf den tatsächlichen Bedarf der Unternehmen ausgerichtet werden, vor allem bei den sogenannten MINT-Fächern. Den Fachkräftemangel benannten 57% als wichtige Wachstumsbremse, 6% die hohe Zahl an Krankmeldungen.

Dass die Beschäftigten nicht leistungsbereit genug sind, sagen laut EY nur 13% der Manager. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes würde das Problem ebenfalls nicht lösen: „Nur 6% sehen in den bestehenden Kündigungsschutzregeln ein wichtiges Wachstumshemmnis.“