Frankreich gibt den Stimmungskiller
Frankreich gibt den Stimmungskiller
Einkaufsmanagerindex für Euro-Wirtschaft gibt unerwartet nach − Rückgänge auch in Japan und Großbritannien
Die Unsicherheit wegen der anstehenden Wahlen in Großbritannien und in Frankreich belastet die Wirtschaftsstimmung − auch die im Euroraum. Nachdem sich das Wachstum im Euro-Schwergewicht Deutschland unerwartet verlangsamt hat, wird sich die erwartete Erholung wohl länger hinziehen als erhofft.
ba Frankfurt
Die Unsicherheit wegen der kurzfristig anberaumten Wahl in Frankreich hat der Wirtschaftsstimmung im Euroraum einen unerwarteten Dämpfer versetzt. Angesichts der Unklarheit über die künftige Regierung und ihre Wirtschaftspolitik halten sich Frankreichs Unternehmen bei Investitionen derzeit eher bedeckt − wie sich bei den Auftragseingängen und Produktionserwartungen zeigt. Trübe präsentiert sich auch die Lage in Deutschland, wie die vorläufigen Ergebnisse der Einkaufsmanagerumfrage zeigen. Die Erholung dürfte also holpriger verlaufen als erwartet.
0,2 Prozent Wachstum zu erwarten
Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite für den Euroraum sank im Juni um 1,4 auf 50,8 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global mitteilte. Ökonomen hatten nach der Erholung in den vergangenen Monaten mit einem weiteren Zuwachs auf 52,5 Zähler gerechnet. Mit einem Wert oberhalb der neutralen 50-Punkte-Marke signalisiert das Frühbarometer allerdings weiter Wachstum − dies nun den vierten Monat in Folge. „Überdies fällt der Indexdurchschnitt für das zweite Quartal so hoch aus wie seit einem Jahr nicht mehr“, betonte S&P. In den drei Monaten bis Juni dürfte ein Wachstum von 0,2% im Quartalsvergleich herausspringen. Zu Jahresbeginn hatte die Euro-Wirtschaft noch um 0,3% zugelegt.
Dass der Aufschwung der Euro-Wirtschaft im Juni einen Rückschlag erlitten hat, führt S&P vor allem auf den ersten Auftragsrückgang seit vier Monaten zurück, der auch auf den Arbeitsmarkt durchschlug. Zugleich sanken die Geschäftsaussichten binnen Jahresfrist auf den tiefsten Wert seit Februar. Der Inflationsdruck nahm weiter ab.
Dienstleister stabilisieren
„Der Dienstleistungssektor hält die Eurozone über Wasser“ kommentierte Cyrus de la Rubia, Chefökonom des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank, den Rückgang des Indikators von 53,2 auf 52,6 Punkte. Das Industriebarometer sank von 47,3 auf 45,6 Zähler. Die Prognosen lagen in beiden Fällen mit 53,4 und 47,8 Punkten deutlich höher.
In den beiden Euro-Schwergewichten Deutschland und Frankreich gingen jeweils die Indikatoren für die Dienstleister und die Industrie zurück. Während der PMI Composite für Deutschland um 1,8 auf 50,6 Punkte fiel und damit noch leichtes Wachstum signalisiert, gab das Pendant für Frankreich um 0,7 Punkte auf 48,2 Punkte nach und liegt damit tiefer im Kontraktionsbereich. „Die Ungewissheit über die bevorstehenden Wahlen lässt die französischen Unternehmen zögern und härtere Zeiten befürchten“, sagte HCOB-Ökonom Norman Liebke.
Für das dritte und vierte Quartal erwartet er dann einen BIP-Schub durch die Olympischen Spiele, die im Juli und August stattfinden. Im zweiten Quartal dürfte sich ein Plus von 0,1% ergeben. Zum Jahresstart hatte Frankreichs Wirtschaft um 0,2% im Quartalsvergleich zugelegt.
Unterhauswahl dämpft britische Stimmung
Auch in Großbritannien führte die anstehende Wahl zur Verunsicherung: Am 4. Juli wird das Unterhaus neu gewählt. Der PMI Composite sank um 1,3 auf 51,7 Punkte. Ökonomen hatten eine Stagnation erwartet. Während sich die Stimmung in der Industrie etwas aufhellte, gab der Indikator für den wichtigeren Dienstleistungssektor unerwartet nach. Beide Teilkomponenten signalisieren mit 51,4 und 51,2 Punkten aber noch Wachstum.
Japans Dienstleister schrumpfen
In Japan fiel der Jibun Bank PMI für das verarbeitende Gewerbe im Juni von 50,4 Zählern im Vormonat auf 50,1 Punkte zurück. Das Barometer für die Dienstleister fiel unter die Wachstumsschwelle: Nach 53,8 Punkten im Mai liegt es nun bei 49,8 Punkten.
Schnelleres Wachstum in den USA
In den USA beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum. Der PMI Composite kletterte um 0,1 auf 54,6 Zähler, das ist der höchste Wert seit April 2022. Die Stimmungsaufhellung war breit basiert. Der Indikator der Industrie legte um 0,4 auf 51,7 Zähler zu. Hier war ein Rückgang auf 51,0 Zähler erwartet worden. Auch der Dienstleisterindex übertraf die Prognose: Statt auf 54,0 Punkte zu fallen, stieg er um 0,3 auf 55,1 Zähler.
Für S&P-Chefvolkswirt Chris Williamson spricht der PMI Composite für ein annualisiertes Wachstum von knapp 2,5%. Zudem signalisiere das Umfrageergebnis einen nachlassenden Preisdruck, der mit dem Fed-Ziel einer Inflationsrate von 2% im Einklang stehe.