G7 für Ende expansiver Finanzpolitik
ahe/ms/wf Königswinter
Die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) sprechen sich trotz der neuen Belastungen durch den Ukraine-Krieg und wegen der hohen Inflationsraten für ein Ende der expansiven Fiskalpolitik aus, die die meisten Industriestaaten insbesondere in der Corona-Pandemie gefahren haben. Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte am Freitag nach zweitägigen Beratungen mit seinen G7-Amtskollegen sowie Notenbankchefs in Königswinter bei Bonn, es sei nicht mehr die Zeit für eine wirtschaftliche Stimulierung der Nachfrageseite und für neue Subventionen. „Wir müssen raus aus den breit angelegten Ausgabenprogrammen, die noch zusätzlich Druck auf die Preise auslösen“, betonte der FDP-Chef.
Nach Angaben von Lindner gehe es jetzt vielmehr um eine „Rückkehr marktwirtschaftlicher Politik sowie darum, die Angebotsseite zu stärken. Als Beispiele nannte er eine Konzentration der Fiskalpolitik auf die Bereiche Bildung, Forschung und Entwicklung, den Abbau bürokratischer Hürden, Erleichterungen im internationalen Handelsverkehr oder auch eine Stärkung privater Produktionskapazitäten. Nach den Worten von Lindner wurde diese Position von allen Ministern so „unisono“ vertreten. Er trat damit Spekulationen entgegen, G7-Länder wie Italien oder Frankreich, die auch in jüngerer Vergangenheit wiederholt neue öffentliche Ausgabenprogramme gefordert hatten, verträten hier andere Vorstellungen.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel äußerte sich ähnlich und verwies unter anderem auf die aktuell diskutierten möglichen Mehrausgaben für Verteidigung und die Energiesicherheit. „Auch wenn die Fiskalpolitik bei Pandemie und dem Ukraine-Konflikt zu Recht in die Bresche gesprungen ist, sollte sie die Neuverschuldung baldmöglichst herunterfahren und einen tragfähigen Schuldenpfad in Aussicht stellen“, unterstrich Nagel. Ein entscheidender Faktor seien dabei glaubwürdige Fiskalregeln.
Lindner zeigte sich in diesem Zusammenhang skeptisch bezüglich einer weiteren Aussetzung der EU-Haushalts- und Schuldenregeln, wie sie die Europäische Kommission am Montag vorschlagen will. Er plädiere für eine „datenbasierte Entscheidung“, sagte der Minister. Eine weitere Aussetzung der Budgetregeln auch 2023 gäben die Daten nicht unbedingt her. Deutschland werde von einer solchen Entscheidung der Kommission auf jeden Fall keinen Gebrauch machen, betonte Lindner, der dieses Thema am Montag auch im Rahmen der Eurogruppe noch einmal diskutieren wird.
Bei dem G7-Treffen auf dem Petersberg stand die schwierige makroökonomische Entwicklung im Fokus aller Gespräche und informellen Begegnungen. Lindner betonte im Anschluss, insbesondere die hohen Preissteigerungen würden als „enorme Gefahr“ angesehen. Die G7 sei aber entschlossen, „mit konsequenten Maßnahmen die Inflationsentwicklung zu stoppen und das Wachstum zu stärken“, betonte der Bundesfinanzminister. Auch Nagel unterstrich die Notwendigkeit, nun entschieden gegen die hohe Teuerung vorzugehen. „Jetzt gilt es, die Inflation zu bekämpfen“, sagte der Bundesbankchef. „Die Zentralbanken müssen dafür sorgen, dass sich der sehr starke Preisauftrieb nicht verfestigt. Deshalb müssen wir entschlossen handeln.“ Zugleich sagte er aber, dass es verständlich sei, dass es kein synchrones Vorgehen gebe. Jede Zentralbank müsse auf die Lage in ihrer jeweiligen Volkswirtschaft reagieren.
Für die Europäische Zentralbank (EZB) untermauerte Nagel die Erwartung einer ersten Zinserhöhung bei der Sitzung im Juli. Nagel und andere Hardliner („Falken“) im EZB-Rat hatten sich frühzeitig für einen solchen Schritt ausgesprochen und zuletzt hatten viele Notenbanker in den Chor eingestimmt. Der Frage, ob er sich auch eine Zinserhöhung gleich um 50 Basispunkte vorstellen könne, wich Nagel aus. Diese Option hatte zuletzt vor allem der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot ins Spiel gebracht. Nagel sagte aber mit Blick auf eine Juli-Erhöhung: „Weitere Zinsschritte könnten zeitnah folgen.“
Lindner begrüßte die Perspektive einer ersten Zinserhöhung im Juli und rascher weiterer Zinserhöhungen ausdrücklich. Er verwies auch auf Inflationsrisiken durch die Abwertung des Euro. Ein schwächerer Euro erhöht die Importpreise, was die Teuerung antreibt. Vor dem G7-Treffen hatte es vereinzelt Marktspekulationen gegeben, dass sich die Staaten ähnlich wie in den 1980er Jahren gemeinsam gegen die aktuelle Stärke des Dollar stemmen könnten. Nagel sagte allerdings, dass die Situationen jetzt und damals nicht vergleichbar seien.