Inflation

Gefahr nicht gebannt

Das Schlimmste in Sachen Inflation mag überstanden sein. Aber es ist und bleibt schlimm. Die EZB bleibt gefragt und in der Pflicht.

Gefahr nicht gebannt

Keine Diskussion: Der sogar überraschend deutliche Rückgang der Inflationsrate in Deutschland im Dezember von 11,3% auf 9,6% (EU-harmonisiert) ist eine gute Nachricht. Für viele Haushalte bedeutet das eine ebenso willkommene wie dringend benötigte finanzielle Entlastung und es ist ein gutes Zeichen für die darbende Konjunktur. Für Entwarnung oder gar Euphorie besteht aber kein Grund – und das hat mit den Gründen des Rückgangs und mit dem weiteren Ausblick zu tun. Das Schlimmste in Sachen Inflation mag überstanden sein. Aber es ist und bleibt schlimm.

Zunächst zu den Gründen: Der Rück­gang im Dezember geht vor allem auf zwei Faktoren zu­rück – auf niedri­gere Energiepreise infolge gesunkener Öl- und Gaspreise und auf die Dezember-Soforthilfe der Bundesregierung, also die staatliche Übernahme der Abschlagszahlung für Gaskunden. Die Energiepreise sind aber extrem volatil und die Erfahrung zeigt, dass es auch schnell wieder in eine andere Richtung gehen kann – zumal bei einer erneuten Eskalation des Ukraine-Kriegs. Vor allem aber gilt es, die Wirkung der Soforthilfe einzuordnen. Sie entlastet zwar kurzfristig die Verbraucher und senkt die Inflationsrate. Das ist aber künstlich und bedeutet eben de facto keine Preissenkung. Es kann künftig sogar zu länger erhöhter Inflation führen. Das gilt umso mehr, als die Entlastung die Kaufkraft und tendenziell die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärkt. Die Erleichterung jetzt kommt also womöglich zum Preis längeren Inflationsdrucks.

Das bringt einen unmittelbar zum Ausblick: Die Zeit deutlich zweistelliger Inflationsraten scheint zunehmend passé. Und nach einem möglichen erneuten Anstieg der Inflation im Januar und Februar, nach dem Wegfall der Einmalentlastung, könnte es ab März sogar einen deutlichen Rücksetzer geben. Dann fällt der kriegsbedingte Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise aus dem Vorjahresvergleich heraus und die Gas- und Strompreisbremsen entfalten ihre volle Wirkung. Es besteht aber wenig Hoffnung auf einen rasanten Rückgang der Teuerung, und das EZB-Inflationsziel von 2% bleibt auf absehbare Zeit außer Reichweite. Im Gegenteil: Die Gefahr nimmt zu, dass sich die Teuerung deutlich oberhalb von 2% verfestigt. Der fortgesetzte An­stieg der Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel), die weniger beeinflusst ist von den verzerrenden staatlichen Preissubventionen, ist da beunruhigend. Er zeugt davon, dass sich die Inflation zunehmend durch die Wirtschaft frisst. Auch der deutliche Anstieg der Inflationserwartungen von Verbrauchern und Unternehmen ist ein Grund zur Sorge. Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist keineswegs gebannt.

Deswegen bleibt auch die Europäische Zentralbank (EZB) gefragt. Es wäre fatal, wenn sie wegen des jüngsten Inflationsrückgangs in Deutschland und Euroland bereits die geldpolitische Straffung stark verlangsamen oder sogar beenden würde. Sie muss den Trend bei den Inflationserwartungen brechen und das Risiko von Zweitrundeneffekten eindämmen. Dafür muss sie ihre Leitzinsen vorerst weiter anheben. Die Unsicherheit über die Inflationsentwicklung ist zweifellos so groß wie selten. Die vergangenen Jahre haben aber schmerzhaft gelehrt, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass sich das Inflationsproblem von selbst in Luft auflöst.

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