Hohes Zinsniveau

Geldpolitik der EZB bremst Kreditvergabe aus

Die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatpersonen im Euroraum kommt weiterhin nicht in Schwung. Dafür mehren sich die Anzeichen, dass die Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte langsam an Fahrt gewinnt.

Geldpolitik der EZB bremst Kreditvergabe aus

Geldpolitik der EZB würgt Kreditvergabe ab

Geldmenge M3 steigt in der Eurozone so deutlich wie seit einem Jahr nicht mehr

mpi Frankfurt

Die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bremst auch kurz vor dem erwarteten Beginn der Zinswende in der kommenden Woche die Kreditvergabe in der Eurozone aus. Im April legte das Kreditwachstum an Unternehmen um lediglich 0,3% im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Dies geht aus Daten der EZB vom Mittwoch hervor. Damit hat die Kreditvergabe etwas an Fahrt verloren, statt in Erwartung der sinkenden Zinsen im Euroraum an Fahrt zu gewinnen. Im März hatte das Wachstum noch bei 0,4% gelegen.

Bei den Privathaushalten im Euroraum sieht die Lage ähnlich aus. Hier stagnierte das Wachstum der Kreditvergabe bei 0,2%. Die EZB hofft auf eine Wiederbelebung der Nachfrage nach Konsumentenkrediten. Sollte diese ausbleiben, könnten die schwache Nachfrage nach Verbraucherkrediten und ein Anstieg von abgelehnten Bankkreditanträgen laut der Notenbank auf fragile Haushaltsbilanzen oder eine größere Risikoaversion der Banken hindeuten. In der Folge bestünde die „Gefahr einer anhaltenden Konsumschwäche“. Diese Sorgen äußerten die Notenbanker auf ihrer vergangenen geldpolitischen Sitzung im April, wie aus dem Protokoll des Treffens hervorgeht.

Konsum mit Schlüsselrolle

Die EZB erwartet eine wirtschaftliche Erholung des Euroraums ab der zweiten Jahreshälfte. Eine Schlüsselrolle bei dieser Prognose kommt dabei dem privaten Konsum zu. Dieser werde aufgrund der sinkenden Zinsen und der steigenden Reallöhne zulegen, so die Vorhersage. Auch bei der Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen rechnet die EZB mit einer Erholung. Gleichzeitig räumt die Notenbank jedoch ein, dass die restriktive Wirkung der Geldpolitik auf die Kreditvergabe zuletzt offenbar größer war als erwartet.

Derweil gibt es Anzeichen, dass sich der private Konsum in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Währungszone, tatsächlich zumindest langsam erholt. Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten GfK-Konsumklima für Mai hervorgeht, blicken die Verbraucher optimistischer auf die Entwicklung der Konjunktur und ihres Einkommens und sparen daher etwas weniger. Sie geben einer anderen GfK-Erhebung zufolge wieder mehr Geld für die Produkte des täglichen Bedarfs aus. Bei größeren Anschaffungen zögern die Konsumenten jedoch weiterhin.

Anzeichen für wirtschaftliche Erholung

Indizien für eine langsam in Schwung kommende wirtschaftliche Erholung in der Eurozone liefert auch die Entwicklung der Geldmenge im Währungsraum. Die Geldmenge M1, die aus Bargeldumlauf plus Sichteinlagen der Nichtbanken besteht, gilt Ökonomen als Indikator für die Konjunkturentwicklung. Je höher die Geldmenge M1 ist, desto mehr Liquidität ist für Konsum und Investitionen vorhanden.

M1 schrumpfte im Mai zwar um 6,0%, wie aus neuen Daten der EZB hervorgeht. Der Rückgang ist jedoch deutlich geringer als in den Monaten davor. Im April sank M1 noch um 6,6%. Zu Jahresbeginn war es sogar ein Minus von rund 10% gewesen. Seitdem verlangsamt sich der Rückgang kontinuierlich.

Debatte über Auswirkungen

Die breiter gefasste Geldmenge M3, die Bargeld, Einlagen auf Girokonten sowie Geldmarktpapiere und Schuldverschreibungen beinhaltet, setzt ihren Wachstumskurs fort. Sie kletterte im Mai um 1,3%, nach einer Zunahme um 0,9% im Vormonat. Der jüngste Anstieg ist der höchste seit einem Jahr. Bankanalysten hatten mit einer solchen Entwicklung gerechnet.

Unter Volkswirten gibt es eine Debatte, wie stark der Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Entwicklung der Inflation ist. In Zeiten hoher Inflation gibt es laut Untersuchungen einen klaren Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisentwicklung. Bei niedriger Teuerung war das Zusammenspiel in den vergangenen Jahrzehnten jedoch weniger deutlich. Trotzdem betrachtet etwa EZB-Direktorin Isabel Schnabel die Geldmenge als wichtigen Inflationsindikator.

„Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass die Geldmenge nach wie vor eine Rolle für die Geldpolitik spielt, besonders im Hinblick auf die strukturellen Herausforderungen, vor denen Europa heute steht“, sagte Schnabel bei einer Rede im vergangenen Jahr. „Gleichzeitig ist es ein Trugschluss zu glauben, dass eine Ausweitung der Zentralbankgeldmenge durch Anleiheankäufe zwangsweise die Inflation anheizt. Wie Anleiheankäufe wirken, hängt nämlich entscheidend vom makroökonomischen Umfeld ab.“ Wie sie diese Woche betonte, müsse die EZB das Instrument der Anleihekäufe mit Bedacht einsetzen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.