Geldpolitik

Globale Zinswende nimmt Fahrt auf

Trotz der zunehmenden Rezessionssorgen weltweit nimmt die globale Zinswende weiter gehörig Fahrt auf. Die schwedische Zentralbank erhöhte am Dienstag wegen der hohen Inflation im Land ihren Leitzins gleich um 100 Basispunkte auf 1,75 % und damit so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Globale Zinswende nimmt Fahrt auf

ms Frankfurt

Trotz der zunehmenden Rezessionssorgen weltweit nimmt die globale Zinswende weiter gehörig Fahrt auf. Die schwedische Zentralbank erhöhte am Dienstag wegen der hohen Inflation im Land ihren Leitzins gleich um 100 Basispunkte auf 1,75% und damit so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Der Zinsentscheid markiert den Startschuss für eine Woche der Zentralbanken, in der weitere kräftige Zinserhöhungen erwartet werden. So entscheidet etwa am heutigen Mittwochabend die US-Notenbank Fed über ihren Kurs. Erwartet wird eine Zinserhöhung um 75 oder sogar 100 Basispunkte.

Weltweit stemmen sich Zentralbanken gegen die zu hohe Inflation, die derzeit vor allem durch die Folgen des Ukraine-Kriegs weiter angeheizt wird. Insbesondere die Fed erhöht deshalb die Leitzinsen in einem Tempo wie seit Jahrzehnten nicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juli die Zinswende eingeleitet und im September mit 75 Basispunkten die größte Zinserhöhung seit Euro-Einführung nachgelegt. Zugleich wächst wegen des Kriegs, aber auch wegen Störfaktoren wie anhaltendem Lieferkettenstress die Sorge vor einer Rezession. Die Zinssorgen und Rezessionsängste belasten derzeit auch die Finanzmärkte erheblich.

Erst am Montag hatte indes die Zentralbank der Zentralbanken BIZ trotz steigender Rezessionsgefahr in vielen Währungsräumen für weitere kraftvolle Zinserhöhungen plädiert. Die in Basel angesiedelte Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) betonte in ihrem Quartalsbericht, es sei von größter Bedeutung, die weltweit steigende Inflation zu drücken. Das Vorziehen von Zinserhöhungen verringere tendenziell die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung der Wirtschaft in den einzelnen Währungsräumen, so die Notenbankexperten.

Die schwedische Zentralbank zumindest folgte nun am Dienstag dem BIZ-Ratschlag. Sie erhöhte ihren Schlüsselsatz von zuvor 0,75 auf 1,75%. Das ist bereits die dritte Anhebung in diesem Jahr, und der Umfang überraschte viele Beobachter. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mehrheitlich lediglich mit einer Anhebung um 75 Basispunkte gerechnet – was aber auch schon eine deutliche Straffung bedeutet hätte. Die Währungshüter reagieren mit dem größten Zinsschritt seit November 1992 auf die Inflationsrate, die aktuell mit 9,0% auf den höchsten Stand seit drei Jahrzehnten gestiegen ist. Die Teuerung ist damit auch weit über das 2-Prozent-Ziel hinausgeschossen. Das letzte Mal, dass sich die Inflation der Schwelle von 9,0% näherte, war im Juli 1991, als der Leitzins bei 10% lag.

Wachsende Rezessionsängste

Trotz wachsender Rezessionssorgen in dem skandinavischen Land will die Riksbank deshalb im kommenden halben Jahr auf geldpolitischem Straffungskurs bleiben, wie sie nach dem Zinsentscheid signalisierte. Vor dem Entscheid war viel über die Höhe des jetzt erfolgten Zinsschritts und über den weiteren Zinsausblick spekuliert worden. Dazu trug auch die Schwäche der schwedischen Krone bei. Allerdings gab und gibt es zugleich Sorgen, dass zu stark steigende Zinsen viele bestehende Schwächen bei den Haushalten und Unternehmen verschärfen könnten.

Der kräftigen Zinserhöhung in Schweden dürften diese Woche weitere ähnliche Schritte weltweit folgen. Bei der am Mittwoch zu Ende gehenden Sitzung der Fed gilt eine abermalige Zinserhöhung um 75 Basispunkte als wahrscheinlichste Option. Damit wäre der US-Leitzins seit März um insgesamt 300 Basispunkte gestiegen. Einige Beobachter schließen aber auch 100 Basispunkte wie in Schweden nicht aus. Hintergrund ist die zu hohe Inflation. Mit zuletzt 8,5% im August scheint die Teuerung zwar den Höhepunkt überschritten zu haben. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel ist aber sogar auf 6,3% gestiegen und zeigt, wie sehr sich der Preisdruck ausbreitet. Zugleich nimmt aber auch in den USA das Rezessionsrisiko zu.

Am morgigen Donnerstag folgen dann unter anderem die Bank of England, die Schweizerische Zentralbank und die norwegische Notenbank mit ihren Zinsentscheiden. In Großbritannien und Norwegen werden Zinserhöhungen um jeweils 50 Basispunkte erwartet, in der Schweiz sogar um 75 Basispunkte. Überraschungen mit stärkeren Anhebungen wie jetzt in Schweden scheinen aber nicht ausgeschlossen. Nur bei der Bank of Japan, die ebenfalls tagt, wird keine Erhöhung erwartet.

Die EZB hat nach der Rekord-Zinserhöhung weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Der Umfang und das Ziel im Zinszyklus sind aber offen und umstritten. EZB-Ratsmitglied Madis Müller forderte am Dienstag „ausreichend robuste und entschlossene“ Maßnahmen, um die Rekordinflation in der Eurozone in den Griff zu bekommen, und erklärte, die Leitzinsen seien noch weit von einem Niveau entfernt, das das Wirtschaftswachstum einschränken würde.

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