Deutsche Konjunktur

Größter Umsatz­einbruch im Einzelhandel seit 1994

Die hohe Inflation im Lebensmittel- und Energiebereich schlägt auf den Konsum durch. Für den Einzelhandel im Juni vermelden die Statistiker den größten Rückgang zum Vorjahresmonat seit 28 Jahren. Doch der Tiefpunkt komme erst noch, sagen Ökonomen.

Größter Umsatz­einbruch im Einzelhandel seit 1994

lz Frankfurt

Die hohe Inflation dämpft die Kauflaune der Menschen in Deutschland erheblich. Der Um­satz des Einzelhandels fiel im Juni preisbereinigt (real) um 8,8% zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. „Das ist der größte Rückgang zum Vorjahresmonat seit Beginn der Zeitreihe 1994“, hieß es. Nominal – also nicht preisbereinigt – nahm der Umsatz dagegen nur um 0,8% ab. Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegele die hohen Preissteigerungen im Einzelhandel wider, die das Konsumklima spürbar beeinträchtigten, erklärten die Statistiker.

„Tiefpunkt kommt erst noch“

Ökonomen sagen dem Einzelhandel anhaltend schwierige Zeiten voraus. „Das war nicht die letzte schlechte Konsumnachricht“, sagte der Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. „Wegen der miserablen Konsumlaune dürfte der Konsumstern fortan weiter sinken. Die Verbraucher kämpfen mit gravierenden Realeinkommensverlusten.“ Zuletzt lag die Inflationsrate mit mehr als 7% so hoch wie seit Jahrzehnten nicht, hauptsächlich weil durch den Ukraine-Krieg die Energiepreise nach oben geschossen sind. Die Preise steigen aber inzwischen auf breiter Front.

Auch die Gasumlage – die für viele Deutsche spätestens im Herbst einen neuerlichen Preisschub bedeutet – dürfte viele Konsumwünsche in diesem Jahr beschneiden. Wirtschaftsminister Robert Habeck bezifferte die Mehrkosten auf mehrere Hundert Euro pro Haushalt, die auf die Verbraucher durch die Umlage zukommen und dann nicht für das Shoppen zur Verfügung stehen. „Der Tiefpunkt beim Konsum kommt erst noch“, erwartet Volkswirt Krüger daher.

Konsumlaune im Keller

Das schätzt der Handelsverband Deutschland (HDE) ganz ähnlich ein. Dessen Konsumbarometer – das auf einer monatlichen Umfrage unter 1600 Personen beruht – ist im August auf ein Rekordtief abgestürzt. „Zurückzuführen ist die starke Eintrübung der Verbraucherstimmung insbesondere auf die in den vergangenen Wochen gewachsenen Unsicherheiten in der Energieversorgung und Energiepreisentwicklung“, so der Branchenverband. Hinzu komme, dass sich die eigenen Einkommenserwartungen im Vergleich zum Vormonat verschlechtern und somit weniger Spielraum für Konsumaktivitäten oder den Ausbau von Ersparnissen bestehe.

Der HDE rechnet zudem noch bis 2023 mit anhaltenden Lieferproblemen. In den kommenden drei Monaten sei vor diesem Hintergrund weiter „mit Konsumzurückhaltung zu rechnen.“ Der noch vor einigen Monaten für möglich gehaltene Konsum-Boom angesichts der Entspannung in der Corona-Pandemie falle somit aus.

Weniger Lebensmittel

Auch im Vergleich zum Vormonat gab es einen Umsatzrückgang bei den Einzelhändlern: Inflationsbereinigt sanken die Einnahmen um 1,6% im Vergleich zum Mai. Das kommt überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem leichten Wachstum von 0,2% gerechnet. Die Verbraucher gaben 1,6% weniger für Lebensmittel aus. „Der Rückgang ist vermutlich vor allem den gestiegenen Preisen für Lebensmittel geschuldet“, so die Statistiker. Der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren konnte den positiven Trend des bisherigen Jahresverlaufs nicht fortsetzen und nahm im Juni 5,4% weniger ein als im Vormonat.

Auch der lange Zeit boomende Internet- und Versandhandel verbuchte gegenüber dem Vormonat einen Umsatzrückgang von 3,8%. Verglichen mit dem Vorjahresmonats gab es mit minus 15,1% sogar den größten Rückgang seit 1994. Im Vergleich zum Juni 2019 liegt der Umsatz aber noch 22,3% über dem Niveau vor der Corona-Pandemie.