Was für Trump und was für Harris spricht
Serie zur US-Präsidentschaftswahl: Der Endspurt (8)
Was für Trump und was für Harris spricht
Wahlbeteiligung könnte entscheidend sein – Ringen um unentschlossene Wechselwähler – Deutlich mehr Frauen geben die Stimme ab
Von Peter De Thier, Washington
Zuletzt erschienen: Social Media (22.10.) Wahlkampf und Medien (12.10.) Wahlkampffinanzierung (5.10.)
Noch nie war der Ausgang eines Duells um die US-Präsidentschaft drei Tage vor der Wahl so ungewiss wie in diesem Jahr. Die demokratische Vizepräsidentin Kamala Harris und der Republikaner Donald Trump bestreiten ein enges Rennen. Harris hat auf nationaler Ebene die Nase leicht vorn. In den entscheidenden Swing States liegen die Abstände aber innerhalb der statistischen Fehlermarge. Welche Argumente sprechen während des Endspurts für die Demokratin, welche für den ehemaligen Präsidenten?
Harris hat diese Woche zweifellos von ihrem kraftvollen Abschlussplädoyer Auftrieb erhalten. Auf der sogenannten Ellipse, der riesigen Rasenfläche auf der Südseite des Weißen Hauses, artikulierte sie die Alternativen, vor denen Amerikas Wähler stehen. Hinter der Ellipse ist das Weiße Haus zu sehen. Das verlieh dem Auftritt einen staatsmännischen Charakter. Auch war es genau die Stelle, an der Trump am 6. Januar 2021 seine Anhänger zur Stürmung des Kapitols aufgerufen hatte. Eine Tatsache, die Harris dem Publikum energisch in Erinnerung rief.
„Das Oval Office kennt Ihr ja“, sagte sie. Und fügte mit erhobener Stimme hinzu: „Wenn Donald Trump dort am Schreibtisch sitzt, dann wird er damit befasst sein, eine schwarze Liste seiner Feinde zusammenstellen, die er hinter Gitter bringen will. Ich werde ebenfalls eine Liste zusammenstellen, allerdings der ganzen Dinge, die ich für das amerikanische Volk machen will“.
Zahlen favorisieren Harris
Die Rede hat ihrer Kampagne frischen Schwung gegeben. Auch favorisieren statistische Faktoren die Demokratin. So haben vor vier Jahren 89 Millionen Frauen ihre Stimme abgegeben und nur 79,3 Millionen Männer. Bei weiblichen Wählern hat Harris den Vorteil, dass Trump die Aufhebung des „Roe gegen Wade“-Urteils, das Schwangerschaftsabbrüche auf nationaler Ebene legalisierte, für sich in Anspruch genommen hat. Allein dieses Reizthema könnte moderate republikanische Frauen dazu bewegen, Harris ihre Stimme zu schenken.
Hinzu kommt, dass auch andere Republikaner gegen Trump zu Felde ziehen. Von gemäßigten Republikanern bis hin zu überaus prominenten Vertretern des erzkonservativen Parteiflügels. Keine unter ihnen sind so einflussreich wie das Gespann Liz Cheney und ihr Vater Dick Cheney, der frühere Vizepräsident. Beide haben nicht nur Trump den Rücken gekehrt, sondern wollen für Harris stimmen. Dazu gesellen sich frühere Mitglieder des Trump-Kabinetts, die ausdrücklich vor einem Ende der US-Demokratie warnen, sollte er gewinnen.
Überlegene Basisarbeit der Demokraten
„Wir sollten nicht unterschätzen, dass diese Republikaner ein loyales Publikum unter gemäßigten Parteifreunden haben, die nun ebenfalls für Harris wählen könnten“, sagt Larry Sabato, politischer Direktor an der University of Virginia. Ein weiterer Faktor, der Harris hilft, ist die überlegene Arbeit an der Basis. So haben die Demokraten nicht nur deutlich mehr Spenden gesammelt. Auch engagieren sie mehr Helfer, die Anrufe machen, an Türen klopfen, lokale Wahlveranstaltungen ausrichten und im Internet für die Demokratin werben.
Was spricht hingegen für Trump? Er versucht seit Monaten das hohe Preisniveau Harris und Präsident Joe Biden anzukreiden. Obwohl das Argument faktisch irreführend ist, stößt Trump damit bei seiner politischen Basis und auch einigen Demokraten auf ein positives Echo. Auch schiebt er seiner Gegnerin die Verantwortung für die Migrationskrise zu. Dies, obwohl heute die Zahl der illegalen Immigranten niedriger ist als unter Trump. Positiv könnte für ihn auch zu Buche schlagen, dass in den Swing States deutlich mehr Republikaner als neue Wähler registriert sind. So ist allein in Pennsylvania der Vorsprung, den Demokraten bei registrierten Wählern haben, seit 2020 von 630.000 auf 300.000 geschrumpft. Unterdessen glaubt Sabato, dass die Zahl der noch unentschlossenen Wechselwähler weit übertrieben ist.
„Wer noch nicht weiß, ob er Trump oder Harris will, mag weder den einen noch den anderen.“ Die meisten von ihnen würden auf die Stimmabgabe verzichten. Entscheidend sei daher in der Schlussphase für beide nicht, neue Wähler zu gewinnen. Vielmehr gehe es darum, die eigene Basis zur Stimmabgabe zu animieren. Daher werde die Wahlbeteiligung den Ausgang entscheiden, ist der Politikwissenschaftler überzeugt.