Hat die Erwerbstätigkeit in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht?
Erwerbstätigkeit in Deutschland auf Rekordhoch
Aussichten für 2025 allerdings trüb – Industrie verliert viele Jobs – Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland erklimmt neue Höhen – vor allem dank Dienstleistern und Zuwanderung. Doch die Perspektiven sind eher düster. Vor allem in der Industrie sind die Aussichten schlecht. Auch die Demografie wird langsam spürbar. Ist der Kulminationspunkt bei der Erwerbstätigkeit nun erreicht?
lz Frankfurt
Trotz anhaltender Konjunkturflaute und Branchenkrisen ist die Zahl der Beschäftigten im vergangenen Jahr auf ein Rekordniveau gestiegen. Im Durchschnitt waren rund 46,1 Millionen Menschen erwerbstätig, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. „Das waren so viele Erwerbstätige wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990“, hieß es in der Mitteilung. Dafür sorgten allerdings allein die Dienstleister, die neue Jobs schufen, während Industrie- und Bausektor Stellen strichen.
Der alte Rekord von 2023 wurde damit um 0,2% oder 72.000 Personen übertroffen – und das, obwohl Europas größte Volkswirtschaft den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten zufolge 2024 wohl das zweite Jahr in Folge geschrumpft ist. „Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 wuchs die Erwerbstätigenzahl damit seit 2006 durchgängig“, schreiben die Statistiker. Allerdings habe der Anstieg bereits seit Mitte 2022 deutlich an Dynamik verloren. 2023 sei der Zuwachs mit 336.000 (plus 0,7%) dann sogar nur noch halb so stark wie im Jahr davor gewesen. Und nun schwächte er sich erneut deutlich ab.
Zuwanderung drückt in Arbeitsmarkt
Ursächlich für die Beschäftigungszunahme waren die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und eine gestiegene Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung. „Diese beiden Wachstumsimpulse überwogen die dämpfenden Effekte des demografischen Wandels, die zum verstärkten Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben führen“, so das Bundesamt. 2024 trugen ausschließlich die Dienstleister zum Anstieg der Erwerbstätigenzahl bei: Hier wuchs sie um 153.000 Personen oder 0,4% auf 34,8 Millionen Personen. Im produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe gab es dagegen einen Beschäftigungsverlust.
Ende des Aufwärtstrends
Im neuen Jahr droht Gegenwind durch die erwartete Fortsetzung der Konjunkturflaute. 25 Wirtschaftsverbände prognostizieren in ihren Branchen einen Stellenabbau, nur sieben rechnen mit mehr Beschäftigten, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) auf der Basis einer Umfrage darlegt. Weniger Jobs dürfte es demnach vor allem in der Industrie geben, etwa im Eisen- und Stahlbereich, im Maschinenbau oder im Baugewerbe. Mehr Jobs werden etwa in der Pharmaindustrie, im Luft- und Raumfahrzeugbau sowie in der Investmentbranche erwartet.
Kommentar: Kurzlebiger Jobrekord
Mittlerweile sind 75,5% aller Erwerbstätigen in den Dienstleistungsbereichen tätig (2023: 75,3%). Innerhalb dieses Sektors lief die Entwicklung aber stark auseinander: Einen großen Zuwachs gab es im Bereich öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit mit 184.000 Personen (plus 1,5%). Demgegenüber ging bei den Unternehmensdienstleistern, zu denen auch die Arbeitnehmerüberlassung zählt, die Erwerbstätigkeit erstmals seit 2020 wieder zurück. Sie sank um 55.000 Personen oder 0,9%.
Im produzierenden Gewerbe (ohne den Bausektor) sank die Erwerbstätigenzahl um 50.000 oder 0,6% auf 8,1 Millionen Personen. Im Baugewerbe endete mit einem Rückgang um 28.000 Erwerbstätige (minus 1,1%) auf 2,6 Millionen der seit dem Jahr 2009 andauernde und nur im Jahr 2015 einmal unterbrochene Aufwärtstrend. Im Bereich Land- und Forstwirtschaft, Fischerei waren 3.000 Personen weniger erwerbstätig als im Vorjahr, was einem Minus von 0,5% auf 569.000 entspricht. „Damit setzte sich der negative Trend der vergangenen Jahre fort“, hieß es dazu.
Weniger Selbständige
Insgesamt hat die Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland im Jahresschnitt um 146.000 oder 0,3% auf 42,3 Millionen zugelegt. Das kam vor allem der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zugute, betonten die Statistiker. Leichte Verluste gab es hingegen bei der Zahl der marginal Beschäftigten (geringfügig entlohnte und kurzfristige Erwerbspersonen sowie Personen in sogenannten Arbeitsgelegenheiten). Und auch bei den Selbständigen setzte sich der bereits seit 2012 andauernde Abwärtstrend weiter fort: Ihre Zahl sank um 74.000 Personen oder 1,9% auf 3,8 Millionen.