Deutsche Konjunktur

Hoffnungsschimmer für die Industrie

Der Juni endet für die Industrie mit einem gemischten Datensatz: Produktion kräftig rauf, Exporte stark bergab. Im Zusammenhang mit dem ersten Auftragsplus dieses Jahres und den Frühindikatoren besteht noch die Hoffnung, dass die Industriekonjunktur in den kommenden Monaten zumindest etwas anzieht.

Hoffnungsschimmer für die Industrie

Hoffnungsschimmer für die deutsche Industrie

Autoindustrie treibt Industrieproduktion − Exporte deuten anhaltende Schwäche an − Ifo: Auftragsmangel verschärft sich

ba Frankfurt

Der Juni endet für die Industrie mit einem gemischten Datensatz: Produktion kräftig rauf, Exporte stark bergab. Im Zusammenhang mit dem ersten Auftragsplus dieses Jahres und den Frühindikatoren besteht noch die Hoffnung, dass die Industriekonjunktur in den kommenden Monaten zumindest etwas anzieht.

Das zweite Quartal endet für die deutsche Industrie zumindest halbwegs versöhnlich: Dank der kräftigen Produktionsausweitung der Automobilindustrie ist die Gesamtfertigung im Juni stärker gestiegen als erwartet. Allerdings sind die Exporte kräftig gefallen − ebenfalls stärker als prognostiziert. Zusammen mit dem am Dienstag gemeldeten ersten Auftragsplus dieses Jahres und den jüngst veröffentlichten Frühindikatoren ergibt sich ein − allerdings nur sehr zarter − Hoffnungsschimmer, dass sich die Industrie im weiteren Jahresverlauf etwas berappelt. Für die Gesamtwirtschaft heißt das allerdings, dass der erwartete Aufschwung später kommt und weniger dynamisch ausfällt als erhofft.

Mai-Delle noch größer

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieerzeuger im Juni preis-, saison- und kalenderbereinigt 1,4% mehr gefertigt als im Vormonat. Dies ist zwar mehr, als Ökonomen mit +1,0% erwartet hatten, gleicht allerdings den Einbruch vom Mai nicht aus. Dieser ist zudem stärker als zunächst gemeldet ausgefallen: Die Statistiker revidierten den Rückgang von −2,5% auf −3,1% nach unten. Damit ergibt sich für den weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich für das zweite Quartal ein Minus von 1,3% gegenüber den drei Monaten zuvor. Für den Jahresvergleich weist Destatis einen Rückgang von kalenderbereinigt 4,1% aus.

„Auch wenn die Produktionsdaten zuletzt wieder besser ausgefallen sind, deuten die eingetrübten Geschäftserwartungen im verarbeitenden Gewerbe auf eine weiterhin verhaltene Industriekonjunktur hin“, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Eine breite konjunkturelle Belebung sei damit, auch angesichts der nach wie vor geringen Auftragseingänge aus dem Ausland, vorerst nicht zu erwarten. Im Juni waren die Neubestellungen um 3,9% gestiegen, wobei die Auslandsaufträge um 0,4% zulegten.

Auftragsmangel verschärft sich

Der Auftragsmangel ist ein großes Hemmnis für die Konjunktur und hat sich einer Ifo-Umfrage zufolge im Juli verschärft. 39,4% der Unternehmen klagten über fehlende Aufträge, bei der vorherigen Befragung im April waren es noch 38,4%. „Fast jede Branche ist betroffen“, betont Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. Die Entwicklung verlief allerdings uneinheitlich: In der Industrie stieg der Anteil von 39,5 auf 43,6%, während er bei den Dienstleistern von 32,4 auf 31,2% fiel.

Autobau treibt Produktion an

Die Industrie im engeren Sinne weitete im Juni die Produktion saison- und kalenderbereinigt um 1,5% aus. Innerhalb der Industrie fuhren die wichtigen Industriezweige die Fertigung hoch, die Automobilindustrie um 7,5%, der Maschinenbau um 1,2% sowie der Bereich chemische Erzeugnisse mit 1,5%. Die besonders energieintensiven Industriezweige erhöhten den Ausstoß um 1,4%. Deutliche Produktionsrückgänge gab es hingegen in den Bereichen pharmazeutische Erzeugnisse (−6,6%) sowie Nahrungs- und Futtermittel (−5,3%). Außerhalb der Industrie stieg die Energieerzeugung um 2,9%. Die Bauproduktion erholte sich mit +0,3% etwas von den vorherigen Rückschlägen.

„Die deutsche Industrie ist das beste Beispiel für die Probleme der gesamten Wirtschaft in den letzten Jahren: Sie steckt zwischen konjunkturellem und strukturellem Gegenwind fest und hat endlich erkannt, dass das alte makroökonomische Geschäftsmodell mit billiger Energie und leicht zugänglichen großen Exportmärkten nicht mehr funktioniert“, sagt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Aus diesem Grund liege die deutsche Industrieproduktion auch viereinhalb Jahre nach Beginn der Pandemie noch immer etwa 10% unter dem Niveau vor der Pandemie. „Mit Blick auf die Zukunft besteht angesichts der nachlassenden Dynamik sowohl der US-amerikanischen als auch der chinesischen Wirtschaft und der neuen Handelsspannungen nur wenig Hoffnung auf eine starke exportgetriebene Erholung.“

Exporte fallen doppelt so stark wie erwartet

Die Exporte fielen im Juni laut Destatis kalender- und saisonbereinigt um 3,4% zum Vormonat auf 127,7 Mrd. Euro. Ökonomen wurden von dem schärfsten Einbruch in diesem Jahr überrascht, denn sie hatten im Schnitt nur ein Minus von 1,5% auf dem Zettel. Im Mai waren die deutschen Ausfuhren um 3,1% gesunken. Nachdem die Einfuhren nach Deutschland um 0,3% auf 107,3 Mrd. Euro zulegten, ergibt sich ein Handelsbilanzüberschuss von 20,4 Mrd. Euro nach 25,3 Mrd. Euro im Mai. Die Importe enttäuschten damit, denn es war ein Plus von 2,8% prognostiziert worden.

Schwache US-Nachfrage

„Die Exporte folgen den schwachen Auftragseingängen der jüngeren Vergangenheit“, kommentierte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. „Das dürfte sich in den kommenden Monaten im Trend fortsetzen.“ Wegen der Schwächesignale der US-Konjunktur könnte sich dies „im wichtigen Handel mit den USA sogar noch akzentuieren“, warnt Niklasch. Im Juni gingen mit 12,9 Mrd. Euro 7,7% weniger deutsche Waren in die Vereinigten Staaten als im Vormonat. Die Exporte nach China legten um 3,4% auf 7,9 Mrd. Euro zu, die Exporte in das Vereinigte Königreich sanken um 0,6% auf 6,5 Mrd. Euro.

Gleichmäßiger Rückgang in der Breite

Insgesamt fielen die Exporte in die sogenannten Drittstaaten, also in die Länder außerhalb der EU, um 3,5% zum Vormonat auf 57,9 Mrd. Euro. In die 27 EU-Mitgliedsländer wurden Waren im Wert von 69,7 Mrd. Euro verschickt, das sind 3,4% weniger als im Mai. Dabei fielen die Ausfuhren in die Länder des gemeinsamen Währungsraums um 3,2% auf 48,5 Mrd. Euro, während die Exporte in die EU-Staaten, die nicht der Eurozone angehören, um 3,7% auf 21,3 Mrd. Euro zurückgingen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.