Geldpolitik

Hohe Inflation stellt EZB vor Herausforderung

Die Inflation in Deutschland legt im Mai deutlich zu und auch die Euro-Inflation wird wohl gestiegen sein. Eine EZB-Zinssenkung in der kommenden Woche dürften die Zahlen nicht infrage stellen. Sie erhöhen aber den Druck auf die EZB, bei der Zinswende vorsichtig vorzugehen.

Hohe Inflation stellt EZB vor Herausforderung

Hohe Inflation stellt EZB vor Probleme

Deutsche Teuerung springt auf 2,8 Prozent – Dienstleistungspreise steigen – Sondereffekte belasten

Die Inflation in Deutschland legt im Mai deutlich zu und auch die Euro-Inflation wird wohl gestiegen sein. Eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank in der kommenden Woche dürften die Zahlen nicht infrage stellen. Sie erhöhen aber den Druck auf die Notenbank, bei der Zinswende vorsichtig vorzugehen.

mpi Frankfurt

Der Anstieg der Inflation in Europas größter Volkswirtschaft Deutschland erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB), beim Tempo der Zinswende vorsichtig vorzugehen. Die deutsche Teuerung legte nach europäischer Berechnungsmethode HVPI im Mai etwas stärker zu, als Ökonomen erwartet hatten. Sie kletterte nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von 2,4% auf 2,8%. Volkswirte hatten im Schnitt einen um 0,1 Prozentpunkte geringeren Anstieg auf dem Zettel.

Die höhere Inflation ist zwar wesentlich auf statistische Sondereffekte zurückzuführen. So erhöhte die Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 die Inflation jetzt über einen Basiseffekt. Außerdem trieben verzögerte Auswirkungen der seit April wieder höheren Mehrwertsteuer auf Gas- und Fernwärme die Preise. Dennoch zeigen die Inflationszahlen, dass der Preisdruck in Deutschland auch abseits solcher Effekte hoch bleibt. „Die Grundtendenz der Preise ist nach wie vor deutlich nach oben gerichtet“, meint Michael Heise, Chefökonom des Multi-Family-Offices HQ Trust.

Hohe Inflation bei Dienstleistungen

Deutlich wird dies beispielsweise an der Inflation im Dienstleistungssektor. Auf diese schaut die EZB derzeit mit besonderem Augenmerk, da die Dienstleistungsinflation den zugrundeliegenden Preisdruck stark beeinflusst. Die Teuerung bei Dienstleistern stieg um 0,5 Prozentpunkte auf 3,9%. Dementsprechend gab auch die Kernrate als Indikator der zugrundeliegenden Inflation nicht nach. Sie stagnierte bei 3%.

Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen weist zwar darauf hin, dass die Kernrate ohne die Sondereffekte im Mai etwas zurückgegangen wäre. Gleichzeitig betont er jedoch, dass er nicht damit rechnet, dass die Kerninflation in den kommenden Monaten viel sinken wird. „Der starke Anstieg der Löhne dürfte die Preise der zumeist sehr arbeitsintensiven Dienstleistungen weiter merklich anschieben.“ Die Commerzbank erwartet daher 2024 kaum noch Fortschritte bei der Disinflation in Deutschland und im Euroraum.

Gefahr einer Reinflation

„Die heutigen deutschen Daten zeigen, dass die Gefahr einer Reinflation real ist, zumindest für eine Zentralbank, die Preisstabilität bei 2,0% definiert“, kommentiert ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Am Freitag veröffentlicht Eurostat die Inflationszahlen des Währungsraums im Mai. Analog zu den deutschen Daten erwarten Ökonomen auch hier einen Anstieg. Im Schnitt gehen sie von einer Zunahme von 2,4 auf 2,6% aus. Auch in den kommenden Monaten könnte es ein Auf und Ab bei der Inflation geben.

Brzeski geht davon aus, dass die EZB beim Zinsentscheid in der kommenden Woche ihre Prognosen für Inflation und Wirtschaftswachstum in diesem Jahr leicht anheben könnte. Eine erste Zinssenkung der Notenbank am 6. Juni gilt als quasi beschlossene Sache. Auch das hohe Wachstum der Tariflöhne der Eurozone im ersten Quartal oder der Anstieg der Inflation im Mai wird die Zentralbank aller Voraussicht nach nicht von diesem Vorhaben abbringen. Offen ist jedoch, wie die weitere Geldpolitik der EZB ab Juli aussehen wird.

„Reflationsrisiko und die allmähliche Erholung der Wirtschaft in der Eurozone schränken den Handlungsspielraum der EZB über die Juni-Sitzung hinaus ein“, meint der ING-Chefökonom. „Aus diesem Grund erwarten wir nächste Woche eine falkenhafte Zinssenkung und eine EZB, die auf der Pressekonferenz versuchen wird, keine Prognosen für die Zukunft abzugeben.“

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