Hoher volkswirtschaftlicher Nutzen durch Förderung der Halbleiterindustrie
Positive Effekte durch Chip-Förderung
Elektroindustrie unterstützt Habeck-Kurs und fordert noch mehr öffentliche Unterstützung – EU-Marktanteil sinkt weiter
Die Elektronikindustrie fordert eine noch stärkere Förderung der Chip-Fertigung, weil Europa weiter Marktanteile verliert. Einer Studie des Branchenverbands ZVEI zufolge haben solche Subventionen positive Effekte auf Wertschöpfung, Steuereinnahmen und Beschäftigung. Chip-Mangel führt wiederum zu hohem Schaden.
ahe Berlin
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) hat Bundesregierung und EU-Kommission aufgefordert, die Förderung der Halbleiterbranche noch weiter zu erhöhen. „Europa droht zum Spielball geopolitischer Machtinteressen zu werden“, warnte Verbandspräsident Gunther Kegel in Berlin unter Verweis auf absehbar sinkende Marktanteile der EU. Einer neuen ZVEI-Studie zufolge wird mit den derzeit bereitgestellten Fördermitteln der europäische Anteil am weltweiten Halbleitermarkt von aktuell 8,1 auf 5,9% im Jahr 2045 sinken. Das von Brüssel ausgerufene 20%-Ziel bis 2030 sei so nicht zu erreichen, hieß es.
Kegel führte dies unter anderem auf die höheren öffentlichen Unterstützungen in Ländern wie USA, Japan, China oder Südkorea zurück. Ausdrücklich unterstützte er die von der Ampel-Koalition bereitgestellten Milliardenförderungen für neue Chipfabriken. Ordoliberale Kritiker sähen diese Subventionen zwar als Sündenfall an, sagte er. Inhaltlich sei dieser Kurs aber die einzige Möglichkeit, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. „Das sind die Spielregeln“, betonte Kegel.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die strategische Bedeutung der Halbleiterförderung nach Ansicht des ZVEI-Präsidenten verstanden – im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Politikern. Nötig sei allerdings eine abgestimmte europäische Strategie. „Wir werden das nicht im nationalen Alleingang schaffen.“
Der Studie zufolge, die die zu PwC gehörende Strategieberatung Strategy& erstellt hat, sind von den aktuell in der EU beschlossenen Chip-Förderungen von gut 21,4 Mrd. Euro positive volkswirtschaftliche Effekte zu erwarten. Das eingesetzte öffentliche Geld amortisiere sich nach neun bis zwölf Jahren wieder, sagte Studienautor Tanjeff Schadt. Der Ertrag liege zwischen 30 und 40%. Die Studie kommt auf eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 33 Mrd. Euro, mehr jährliche Steuereinnahmen von 8 Mrd. Euro und 65.000 neue, qualifizierte Arbeitsplätze.
Hoher Schaden durch Chipmangel
Rund 16 Mrd. Euro dieser öffentlichen Förderung kommen aus Deutschland. Die Studie berücksichtigt dabei auch noch die Subventionen von 10 Mrd. Euro für den Intel-Konzern, der seine Investition noch einmal auf den Prüfstand gestellt hat. Inklusive dieser Förderung könnte Deutschland durch die neuen Chipfabriken durch direkte, indirekte und induzierte Effekte eine zusätzliche Wertschöpfung von 25,7 Mrd. Euro pro Jahr, 6,2 Mrd. Euro mehr Steuereinnahmen und etwa 49.000 neue Arbeitsplätze erwarten.
Der ZVEI verwies in diesem Zusammenhang auf den volkswirtschaftlichen Schaden, den die Chip-Knappheit in den Jahren 2021 bis 2023 in der deutschen Industrie angerichtet hat. Laut der Studie summiert sich dieser auf mindestens 102 Mrd. Euro – insbesondere in der Automobilindustrie. Hinzu kämen versteckte Kosten in den sogenannten Anwendungsindustrien, die noch ein vielfaches höher liegen könnten, hieß es.
Andreas Urschitz, der die neue ZVEI-Plattform Mikroelektronik leiten wird, verwies am Mittwoch auch auf die Bedeutung der Halbleiterbranche für die Energiewende. „Die beabsichtigte Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft gelingt nur mit Mikroelektronik“, betonte der Infineon-Vorstand in Berlin. Mithilfe der Chips werde ein Vielfaches der Emissionen eingespart, die im Rahmen ihrer Fertigung anfielen. Benötigt würden insbesondere Leistungshalbleiter zur Steuerung erneuerbarer Energien. Laut der neuen ZVEI-Studie könnte bis zu ein Viertel der künftigen Produktionskapazitäten in der EU allein für die klimaneutrale Elektrifizierung benötigt werden.
Kegel plädierte dafür, die öffentliche Förderung auf das Mikroelektronik-Ökosystem auszuweiten. Es gehe insbesondere um den Markt bei Leiterplatten und Elektronikfertigungen. Anders als in den USA gebe es in Europa hierfür keine Förderungen. Im globalen Leiterplattenmarkt hat die EU weniger als 5% Marktanteil. Bis zu 90% der Produktion kommt mittlerweile aus China und Taiwan.