Homeoffice unter der Sonne der Iberischen Halbinsel
ths Madrid
Vor einigen Jahren warb ein deutschsprachiges Magazin in Spanien um Mitarbeiter mit dem Motto „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“. Früher war der Traum von einem Leben mit Job unter der Sonne eher wenigen vorbehalten. Doch im Zeitalter des Homeoffice wächst das Heer an ausgebildeten Profis, die sich fast überall in der Welt niederlassen und aus der Distanz arbeiten können. Der Wettkampf zwischen den Ländern um die Fachkräfte und die sogenannten „digitalen Nomaden“ ist in vollem Gange.
Spanien und Portugal haben sich unlängst neue Gesetze verpasst, mit denen Fachkräfte aus dem Ausland mit Steueranreizen und Aufenthaltsgenehmigungen angelockt werden. Dabei ist die Lebensqualität auf der Iberischen Halbinsel bereits ein enormer Standortvorteil gegenüber ungemütlicheren Gefilden. „In den letzten Jahren hat es allerhand Initiativen zum Anlocken von Fachkräften auf regionaler Ebene gegeben, doch mit dem neuen Gesetz ist man das nun endlich auf nationaler Ebene angegangen“, kommentiert Raquel Roca, Expertin für die Arbeitswelt in der digitalen Ära, die Konferenzen gibt und an Privathochschulen unterrichtet, wie an der Wirtschaftshochschule „The Valley“ in Madrid.
Das spanische Gesetz zur Regulierung und Unterstützung von Startups, das in diesem Jahr in Kraft getreten ist, schafft Anreize im Wettbewerb um internationale Fachkräfte im IT-Bereich. „Das ist umso wichtiger mit Blick auf die Gelder aus dem Aufbauplan NextGenerationEU. Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal nimmt rasant zu“, erklärt Mar Hurtado, Leiterin des Global Recruitment & Marketing an der IE University in Madrid, einer der renommiertesten Privatuniversitäten Spaniens. Die spanische Notenbank warnte vor kurzem davor, dass der Mangel an Fachpersonal den Effekt der Gelder aus Brüssel für die spanische Wirtschaft um bis zu 25% schmälern könnte, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird. Obwohl das Land mit 13% eine der höchsten Arbeitslosenquoten Europas aufweist, fehlen in vielen Branchen Mitarbeiter, besonders im digitalen Bereich, in den ein Großteil der EU-Hilfen kanalisiert wird.
Die spanische Regierung versucht nun Spezialisten aus nicht-EU-Ländern mit einer Aufenthaltsgenehmigung und reduzierter Einkommensteuer ins Land zu locken. Entscheidend ist, dass man mindestens 80% seines Verdienstes mit ausländischen Arbeitgebern verdient, sei es als Festangestellter einer Firma in Kalifornien oder als Freiberufler. Das Minimumeinkommen muss das Zweifache des gesetzlichen Mindestlohns betragen, der monatlich bei 1 080 Euro liegt. In diesem Fall kann man eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr beantragen, die sich um weitere drei Jahre verlängern lässt.
Viele digitale Nomaden bleiben in der Regel nicht allzu lange im Gastland, sondern ziehen ständig weiter. Die Regierung vertraut aber darauf, dass diese Fachleute eine positive Auswirkung auf das Umfeld in den Orten haben, wo sie sich vorübergehend niedergelassen haben. „Talent zieht Talent an“, resümierte die Staatssekretärin für die Digitalisierung im spanischen Wirtschaftsministerium, Carme Artigas, während einer Präsentation des Startup-Gesetzes vor ausländischen Journalisten. Die frühere Unternehmerin, die einst selbst erfolgreich eine Firma aufgezogen hatte, spricht von „Ökosystemen“, in denen sich gleichgesinnte IT-Experten austauschen und im Idealfall ein Unternehmen gründen.
Diese Hubs sind mittlerweile längst nicht mehr auf Madrid und Barcelona beschränkt, obwohl die beiden großen Metropolen weiterhin die Mehrheit der Fachkräfte aus dem Ausland anziehen. In den letzten Jahren sind kleinere, etwas ruhigere und vor allem preisgünstigere Städte, wie Valencia, Alicante, Málaga oder Granada bei Personen, die ihr Homeoffice überall aufschlagen können, begehrt. Valencia wurde im jüngsten Ranking von Internations, einer Plattform für professionelle Globetrotter, zur besten Stadt weltweit für Expats gewählt. Dank einer radikalen Verkehrswende, welche die Innenstadt beinahe autofrei gemacht hat, ist Valencia aktuell auch Umwelthauptstadt Europas.
Visum für digitale Nomaden
Die Lebensqualität gibt zweifellos für viele Berufsnomaden den Ausschlag. „Es ist nicht nur das gute Klima oder das Freizeitangebot. Die Leute schätzen auch die Sicherheit, die Gesundheitsversorgung und die guten Verkehrsanbindungen in Spanien“, berichtet Hurtado von der IE University: „Das sehen wir auch zunehmend bei den Kandidaten für unsere Dozentenstellen. Der neuen Generation geht es um mehr als das Gehalt.“ Das neue Gesetz bietet auch Universitätsabgängern aus Nicht-EU-Staaten Anreize, um nach dem Master im Land zu bleiben und ein Unternehmen zu gründen.
Das benachbarte Portugal kommt auswanderungswilligen Experten ebenfalls mit einer Reihe von Vorteilen entgegen. Für das portugiesische Visum für digitale Nomaden muss man 3 040 Euro brutto im Monat verdienen, wobei es egal ist, ob man bei einem Arbeitgeber im Ausland festangestellt ist oder freiberuflich arbeitet. Das Visum gilt für ein Jahr, danach kann man eine Aufenthaltsgenehmigung für bis zu fünf Jahre beantragen. Bis Januar hatten die portugiesischen Behörden 200 dieser Visa vergeben, wie die Zeitung „Público“ berichtete, hauptsächlich an Berufstätige aus den USA, Großbritannien und Brasilien. Die Hauptstadt Lissabon schneidet mit ihrer hohen Lebensqualität, ebenso wie Madrid, Valencia oder Barcelona in internationalen Rankings, wie der Nomadlist, regelmäßig gut ab.
Doch nicht alle Bedingungen im sonnigen Süden sind einladend für die ausländischen Arbeitskräfte. Experten und Politiker räumen ein, dass die Bürokratie nach wie vor zermürbend sein kann und manchen Projekten im Weg steht. Die Englischkenntnisse, auch unter den Jüngeren, sind nach wie vor stark ausbaufähig. Die Gehälter sind im Schnitt niedriger als in Mitteleuropa. Wer eine Festanstellung bei einem spanischen Unternehmen sucht, kann sich mitunter an der altbackenen Mentalität mancher Manager stoßen. „Einige Firmen haben die Umstellung auf die neue Arbeitswelt verpasst und es herrscht immer noch eine sehr hierarchische Kultur und Anwesenheitspflicht, doch andere Firmen sind da viel weiter“, sagt Expertin Roca.
Staatssekretärin Artigas vertraut darauf, dass Spanien mit seinen „Ökosystemen“ und der Mischung aus guter Lebensqualität und Anreizen im wachsenden internationalen Wettkampf um die Fachkräfte nun gut aufgestellt ist.