Deutscher Standort in der Krise

Industrie rechnet mit einem weiteren Rezessionsjahr

Der BDI rechnet auch 2025 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung und fordert von der neuen Regierung ein entschlossenes Programm für die Wiederbelebung des Standortes. Einer Gesamtmetall-Umfrage zufolge will die Hälfte der Unternehmen Investitionen kürzen.

Industrie rechnet mit einem weiteren Rezessionsjahr

Industrie erwartet weiteres Rezessionsjahr

BDI fordert von neuer Regierung entschlossene Wachstumspolitik – Gewerkschaft schlägt „Turnaround-Fonds“ vor

Der BDI rechnet auch 2025 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung und fordert von der neuen Regierung ein entschlossenes Programm zur Wiederbelebung des Standortes. Einer Gesamtmetall-Umfrage zufolge will die Hälfte der Unternehmen Investitionen kürzen. Die IGBCE schlägt als Lösung einen neuen Fonds vor.

ahe Berlin

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erwartet, dass sich die Rezession in diesem Jahr weiter fortsetzen wird, und prognostiziert ein um 0,1% leicht schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt (BIP). Sollte US-Präsident Donald Trump tatsächlich neue Zölle einführen, sei auch ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,5% möglich, warnte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner am Dienstag in Berlin.

Die Bundesregierung will am Mittwoch bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts eine neue Prognose für 2025 nennen. Vorab bekannt geworden war, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck derzeit nur noch von einem kleinen BIP-Wachstum von 0,3% ausgeht.

Strukturelle Krise begann schon 2018

„Wir stecken in einer tiefen wirtschaftlichen Krise“, stellte der neue BDI-Präsident Peter Leibinger fest. Er könne sich an eine derart schlechte Stimmung in Industrieunternehmen nicht erinnern. „Vor allem das Wachstum der Industrie hat einen strukturellen Bruch erlitten.“ Die strukturelle Schwäche des Standorts seit bereits seit Sommer 2018 zu spüren. Seither sei die industrielle Produktion in Deutschland um 16% gesunken.

In einer am Dienstag vorgestellten Umfrage des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall bewerten 51% der Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie die Lage als schlecht. Nur 6% rechnen 2025 mit einer Normalisierung. Ebenfalls will die Hälfte der Unternehmen ihre Investitionen in Deutschland kürzen, zum Teil um mehr als 30%. Als Gründe wurden hohe Kosten und politische Unsicherheit genannt. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander betonte in Berlin, die neue Bundesregierung müsse mit einem 100-Tage-Programm ein Signal des Aufbruchs senden.

Innovationen statt Bürokratie

Ähnlich äußerte sich auch Leibinger. Die Zukunft des Industriestandortes stehe auf dem Spiel, warnte er. Die Unternehmen bräuchten zeitnahe Entlastungssignale. Der Fokus der künftigen Regierung müsse auf mehr Wachstum liegen. „Ohne eine starke Wirtschaft bleiben auch andere politische Aufgaben unlösbar.“

Zu den politischen Forderungen des BDI gehört unter anderem eine Senkung der Unternehmenssteuern auf 25%, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und bessere Abschreibungsbedingungen. Hinzu kommt mehr Planungssicherheit in der Energiepolitik, einschließlich einer Senkung der Strompreise. Leibinger verwies zugleich darauf, dass derzeit die überbordende Bürokratie vor allem auch Innovationen und Wachstum hemme. Deutschland brauche eine Verwaltungsreform – allerdings nicht mit einer Kettensäge, sondern auf einem kooperativen Weg, sagte er.

BDI fordert deutsche Führungsrolle in Europa ein

Auch in der Europapolitik erwartet der seit Jahresbeginn amtierende BDI-Präsident ein anderes Herangehen der zukünftigen Bundesregierung. „Deutschland muss in Brüssel eine selbstbewusstere Führungsrolle einnehmen“, betonte er. Das bislang von Enthaltungen geprägte Abstimmungsverhalten der Regierung in der EU („German Vote“) sei weder in einem deutschen noch im europäischen Interesse gewesen.

Finanzieren sollen sich die Entlastungen der Wirtschaft Leibingers Worten zufolge über mehr Wachstum sowie klare Priorisierungen im Haushalt. Ein komplett anderes Konzept, wie die Bewältigung der wirtschaftlichen und strukturellen Herausforderungen in Deutschland angegangen werden könnte, schlug am Dienstag die Chemiegewerkschaft IGBCE vor. Im Mittelpunkt steht dabei ein „Turnaround-Fonds“, der durch eine einmalige Vermögensabgabe in Höhe von 5% finanziert werden soll. Betroffen wären die reichsten 0,1% der Bevölkerung. „Jetzt gilt: klotzen, nicht kleckern. Die Zeit drängt – ein Fünftel der Industrie steht auf der Kippe, und in unseren Branchen tendenziell noch mehr“, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis in Berlin.

Der Fonds soll der Modernisierung der Infrastruktur und der Förderung von Transformationsprojekten in der Industrie dienen. Laut IGBCE könnte die Vermögensabgabe ein Drittel der bis 2030 benötigten Investitionen von insgesamt 500 Mrd. Euro decken.

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