Geldpolitik

Inflation: EZB-Granden senden gegenteilige Signale

Die EZB steht am 10. März vor einer sehr wichtigen Zinssitzung. Die Eskalation der Ukraine-Krise erschwert die Lage zusätzlich. EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann lässt nun mit interessanten Aussagen aufhorchen.

Inflation: EZB-Granden senden gegenteilige Signale

ms Frankfurt

Die Debatte über die künftige Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nimmt immer mehr Fahrt auf – wobei die Euro-Notenbanker weiter teils sehr unterschiedliche Akzente setzen. Am Mittwoch plädierte etwa Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann für zwei Zinserhöhungen noch in diesem Jahr, während Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau mit Blick auf die Ukraine-Krise betonte, dass die EZB sehr flexibel bleiben müsse. Besonders bemerkenswert waren dabei auch Aussagen Holzmanns, dass er das neutrale Zinsniveau derzeit bei etwa 1,5% sehe.

Die EZB steht am 10. März vor einer sehr wichtigen Zinssitzung. Nach den negativen Überraschungen von der Inflationsseite En­de 2021 und Anfang 2022 haben die Euro-Hüter einen besorgteren Ton an­ge­schlagen und steuern auf eine ra­schere Normalisierung der Geldpolitik zu. Allerdings erschwert nun die Eskalation in der Ukraine-Krise das weitere Vorgehen: Einerseits droht weniger Wachstum, andererseits könnte die Inflation durch steigende Energiepreise sogar zulegen. Im Januar lag sie bei 5,1%. Am heutigen Donnerstag kommen die Euro-Hüter in Paris zu einem informellen Treffen zusammen – das erste persönliche Treffen seit langem.

Ratsmitglied Holzmann sagte nun davor in einem Interview der „NZZ“, dass er sich durchaus noch zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr vorstellen könne, und eine davon schon im Sommer – womit er auch die bislang postulierte Marschroute in Zweifel stellte, dass erst die Anleihekäufe beendet werden sollen, bevor Zinserhöhungen anstehen. „Es wäre auch möglich, einen ersten Zinsschritt im Sommer noch vor dem Ende der Käufe zu setzen und einen zweiten am Jahresende. Diese Variante würde ich favorisieren“, sagte Holzmann.

Widerspruch kam sogleich von EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. Der Spanier sagte am Mittwoch, dass die Zinsen nicht vor Ende der Anleihenkäufe steigen würden. Die EZB werde sich die Konjunkturdaten und die aktualisierten Prognosen im März anschauen und danach die Anleihenkäufe bei Bedarf anpassen.

Frankreichs Zentralbankchef Villeroy de Galhau mahnte am Mittwoch angesichts der Lage in der Ukraine, dass die EZB geldpolitisch flexibel bleiben müsse. Auf der Sitzung im März würden eher die „indirekten Konsequenzen“ mit Blick auf Inflation und Wachstum bewertet. Dabei werde sich die EZB von den Fakten leiten lassen. „Mehr denn je geht es um Optionalität.“ Dies gelte mit Blick auf die geldpolitische Haltung und die geforderte Flexibilität.

Holzmann sagte in dem Interview zudem, dass der sogenannte natürliche Zins im Euroraum derzeit bei rund –0,5% liege. Wenn man das Inflationsziel der EZB von 2% hinzufüge, komme man auf einen nominalen Wert für den Gleichgewichtszins von 1,5%. „Für mich wären diese 1,5% sehr grob gesprochen der Richtwert, wohin sich die Leitzinsen bewegen müssen.“ Dann wäre die Geldpolitik nicht mehr expansiv, sondern neutral. Die EZB scheut sonst eher davor zurück, Schätzungen zum neutralen Zins anzugeben. Holzmanns Worte sind die ersten Aussagen darüber, wo die EZB aktuell ein neutrales Zinsniveau sehen könnte.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.