Italiens Regierung dringt auf mehr Geld aus Brüssel
bl/rec Mailand/Brüssel
Die italienische Regierung intensiviert ihr Werben um zusätzliche Milliarden aus Brüssel. In einem Gespräch mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Rom verlieh Regierungschefin Giorgia Meloni ihren Forderungen Nachdruck. Ihre Regierung plädiert für mehr Geld aus europäischen Fördertöpfen und fordert mehr Zeit für die Umsetzung von Projekten im Zuge des EU-Wiederaufbaufonds.
Anlass für das Treffen war nach Angaben aus dem Amt der Ministerpräsidentin die Vorbereitung eines außerordentlichen EU-Gipfels in einem Monat. Am 9. und 10. Februar wollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel zusammenkommen. Dann soll es insbesondere um die Themen Wirtschaft und Migration gehen, wie in Rom verlautete.
Antwort auf US-Subventionen
Bei dem Sondergipfel dürfte es vor allem um eine Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) gehen. Wegen des knapp 370 Mrd. Dollar schweren Subventionspakets der US-Regierung fürchtet die europäische Wirtschaft erhebliche Wettbewerbsnachteile auf dem amerikanischen Markt. Die EU-Kommission verhandelt deshalb mit der US-Regierung über Zugeständnisse für europäische Firmen. Bislang zeichnet sich allerdings kein weitreichendes Entgegenkommen Washingtons ab.
Meloni fordert deshalb, die EU-Beihilferegeln zu lockern. Mit dieser Forderung ist die Italienerin nicht allein: Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und sein französischer Kollege machen sich in einem gemeinsamen Positionspapier für eine Reform der Beihilferegeln stark. Das entspricht grundsätzlich auch den Überlegungen der EU-Kommission.
Deutlich weiter auseinander liegen die Regierungen in Budgetfragen. Rom fordert mehr Zeit für die Umsetzung des EU-Wiederaufbauprogramms, aber auch mehr Geld. Dabei ist Italien mit 191,5 Mrd. Euro bereits Hauptnutznießer des in der Coronakrise aufgelegten Programms, das insgesamt 750 Mrd. Euro an Zuschüssen und Krediten für die EU-Staaten bereithält. Italien erhält darüber hinaus 9 Mrd. Euro aus dem europäischen Repower-Programm, einem Milliardenpaket zur Verringerung der Abhängigkeit von russischer Energie. Das reicht Meloni nicht. Sie dringt auf mehr, obwohl Italien etwa aufgrund der ausufernden Bürokratie und anderer Hemmnisse gar nicht in der Lage ist, von der EU gezahlte Gelder auszugeben.
Fiskalischer Spielraum gering
Bei dem Treffen von Meloni und von der Leyen, an dem auch Italiens Europaminister Raffaele Fitto teilnahm und das wider Erwarten ohne gemeinsame Erklärung oder Pressekonferenz endete, ging es auch um die Einrichtung eines europäischen Schutzfonds sowie erleichterte Hilfen für Unternehmen. Die italienische Premierministerin dringt darauf, dass diese Hilfen wegen der unterschiedlichen Budgetspielräume nicht auf nationaler Ebene, sondern auf europäischer Ebene vergeben werden sollen. Die hohe Verschuldung und steigende Zinskosten lasten besonders auf Italiens Staatsfinanzen. Industrieminister Adolfo Urso, ein enger Vertrauter Melonis, forderte in der Zeitung „Corriere della Sera“ auch eine gemeinsame europäische Energiepolitik und europäische Golden-Power-Regelungen, um europäische Unternehmen vor außereuropäischen Übernahmen schützen zu können.
Die Regierung Meloni fährt einen stark nationalistischen Kurs, bekennt sich aber vordergründig zu Europa. Allerdings blockiert sie beispielsweise als einziges EU-Land die Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Mehrere Minister kritisierten wiederholt die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit Verteidigungsminister Guido Crosetto, der Meloni sehr nahesteht, stellte kürzlich sogar ein führender Regierungsvertreter die Unabhängigkeit der EZB in Frage.