IWF rüttelt an Tabu monetärer Staatsfinanzierung
ms Frankfurt
Der Internationale Währungsfonds (IWF) rüttelt an dem Tabu, dass Zentralbanken keine monetäre Staatsfinanzierung betreiben, also Staatsausgaben nicht durch Notenbankgeld finanzieren sollten. In einem am Mittwoch veröffentlichten Blog-Beitrag des Fonds argumentieren führende IWF-Experten, dass es „sinnvoll“ sei zu untersuchen, unter welchen Umständen monetäre Staatsfinanzierung angemessen sein könnte. Der Beitrag basiert auf einem umfangreicheren Research-Papier aus dem Januar.
Hitzige Debatten in Euroland
Monetäre Staatsfinanzierung gilt gemeinhin als Tabu für die Zentralbanken, weil sie als nicht vereinbar gilt mit der Unabhängigkeit der Geldpolitik und als große Gefahr für das Ziel der Preisstabilität angesehen wird. Im Euroraum ist sie der Europäischen Zentralbank (EZB) laut EU-Vertrag sogar ausdrücklich verboten. In Krisenzeiten wie unlängst der Pandemie haben zwar nahezu alle wichtigen Zentralbanken in großem Stil Staatsanleihen gekauft und damit auch den Staaten unter die Arme gegriffen. Eine explizite Staatsfinanzierung lehnen sie aber ab. Besondere Brisanz erhält das Thema durch die drastisch gestiegenen Staatsschulden während der Coronakrise.
Insbesondere im Euroraum sorgt das Thema immer wieder für hitzige Diskussionen. Kritiker werfen der EZB regelmäßig monetäre Staatsfinanzierung vor. Auch im aktuellen Umfeld führen sie das zögerliche Reagieren der EZB auf die rekordhohe Inflation darauf zurück, dass diese Rücksicht auf die Euro-Staaten nimmt. Die EZB weist das zurück.
Die IWF-Experten haben nun die theoretischen Argumente für und gegen die monetäre Finanzierung geprüft und eine empirische Bewertung der Risiken für die Inflation vorgenommen. Auf dieser Basis halten sie es „für sinnvoll, die Bedingungen weiter zu untersuchen, unter denen monetäre Finanzierung unter außergewöhnlichen Umständen angemessen sein kann oder nicht“, wie es in dem Blog-Beitrag heißt. Mögliche Experimente mit diesem Instrument sollten jedoch „bescheiden ausfallen und sich auf Länder mit glaubwürdigen monetären Rahmenbedingungen, niedriger Inflation und tragfähigen Haushaltspositionen beschränken“.
Am wichtigsten ist laut den IWF-Experten, „dass mögliche monetäre Finanzoperationen ausschließlich und unabhängig von den Zentralbanken mit dem alleinigen Ziel der Gewährleistung wirtschaftlicher Stabilität beschlossen werden sollten“. Diese Vorgabe einzuhalten sei zwar schwierig und Abweichungen von der Zentralbank-Unabhängigkeit könnten „sehr gefährlich“ sein. „Die Geschichte ist voll von Beispielen, in denen der Einsatz von monetärer Finanzierung unter unangemessenen Umständen verheerende Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Lebensgrundlagen hatte.“ Trotzdem plädieren sie dafür, das Thema weiter zu untersuchen.
Globaler Schuldenberg
Wie stark die weltweiten Schulden auch im vergangenen Jahr erneut gestiegen sind, geht derweil aus dem am Mittwoch veröffentlichten jährlichen Global Debt Monitor des internationalen Bankenverbands IIF hervor. Demnach wuchs der Schuldenberg um weitere rund 10 Bill. Dollar an – womit er ein neues Rekordniveau von 303 Bill. Dollar erreichte. Laut IIF nahmen vor allem die Schulden der Staaten und der Nicht-Finanzunternehmen deutlich zu.