IWF warnt vor Konjunkturrisiken
ms Frankfurt
Der Internationale Währungsfonds (IWF) blickt etwas skeptischer auf die Weltwirtschaft als noch im Sommer. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sagte am Dienstag bei ihrer traditionellen Curtain Raiser Speech vor einer IWF-Jahrestagung, dass der Fonds seine Wachstumsprognose gegenüber Juli wohl etwas absenken werde, und sie warnte zudem vor zunehmenden Risiken. Umso wichtiger sei entschlossenes Handeln der Politik, so Georgiewa vor der Tagung in der kommenden Woche. Zentral seien weitere Impffortschritte – und zwar weltweit.
Mit ihrer Rede setzt Georgiewa traditionell den Ton für die Beratungen der Finanzminister und Notenbankchefs bei der IWF-Jahrestagung. Wegen der Corona-Pandemie findet diese dieses Mal als hybride Veranstaltung statt. Im Mittelpunkt steht die konjunkturelle Lage weltweit. Und da ist das Bild gemischt: Einerseits hat sich die Weltwirtschaft schneller von der Coronakrise erholt als gedacht. Andererseits hat die Erholung zuletzt schon wieder spürbar an Schwung verloren, und die Sorgen über eine noch stärkere Abkühlung nehmen zu (vgl. BZ vom 5. Oktober).
Georgiewa sagte nun, die „gute Nachricht“ sei, dass die zunehmenden Impfungen in den vergangenen zehn Monaten Millionen von Leben gerettet hätten. Zudem hätten sie zusammen mit der beispiellosen Hilfe durch die Politik dafür gesorgt, dass die Weltwirtschaft die Krise hinter sich gelassen und auf Erholung geschaltet habe. Tatsächlich hält der Fonds auch am Bild einer sich fortsetzenden Wirtschaftserholung fest.
Zugleich signalisierte Georgiewa aber, dass die in der kommenden Woche anstehende neue IWF-Wachstumsprognose für 2021 etwas schwächer ausfallen werde als im Juli mit 6%. Zudem sagte sie: „Die Risiken und Hindernisse für einen ausgewogenen globalen Aufschwung sind noch ausgeprägter geworden.“ Für 2022 hatte der IWF im Juli 4,4% prognostiziert.
Georgiewa hob vor allem drei Probleme hervor: Erstens sei da die weltweite Divergenz beim Wirtschaftswachstum. „Die Wirtschaftsleistung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird voraussichtlich bis 2022 zu den Trends vor der Pandemie zurückkehren“, sagte sie. Aber die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer würden viel mehr Jahre brauchen, um sich zu erholen. Das werde es noch schwerer machen, langfristige wirtschaftliche Schäden zu vermeiden.
Zweitens verwies sie auf die Inflation. Zwar erwartet der Fonds, dass der Preisdruck in den meisten Ländern 2022 nachlässt. In einigen Schwellen- und Entwicklungsländern könne dieser aber länger anhalten. Insgesamt blieben die Inflationsaussichten sehr unsicher. „Ein nachhaltigerer Anstieg der Inflationserwartungen könnte einen raschen Anstieg der Zinssätze und eine drastische Verschärfung der Finanzierungsbedingungen zur Folge haben.“
Zum Dritten zeigte sich die IWF-Chefin besorgt über die globalen Schulden. Der IWF schätzt, dass die weltweite Staatsverschuldung auf 100% der Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Auch da gebe es weltweit große Unterschiede. Viele Entwicklungsländer hätten keinen fiskalischen Spielraum, es stünden ihnen harte Zeiten bevor, sagte Georgiewa.
In ihrer Rede hob sie nun drei politische Prioritäten hervor: Zum einen müsse es noch mehr Tempo bei den Impfungen geben. Wichtig sei vor allem, die Kluft zwischen armen und reichen Ländern zu verringern. Zum Zweiten müsse die Politik stärker gemäß den jeweiligen Bedingungen in den Ländern „kalibriert“ werden. Das gelte speziell für die Fiskalpolitik. Und zum Dritten brauche es schnellere Reformen zum Umbau der Volkswirtschaften im Hinblick auf Klimawandel, technologischen Wandel und die Beteiligung ärmerer Länder. Georgiewa: „Wir können überall eine stärkere Erholung sicherstellen und eine bessere Welt nach der Pandemie für alle gestalten.“