CO2-Emissionen

Johnsons Ankündigungen sind mehr als heiße Luft

Die britische Regierung wird das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2035 auf 78 % des 1990 erreichten Stands herunterzufahren, gesetzlich festschreiben. „Wir wollen beim Kampf gegen den Klimawandel neue Maßstäbe setzen“, sagte Premierminister Boris...

Johnsons Ankündigungen sind mehr als heiße Luft

Von Andreas Hippin, London

Die britische Regierung wird das Ziel, die CO2Emissionen bis 2035 auf 78 % des 1990 erreichten Stands herunterzufahren, gesetzlich festschreiben. „Wir wollen beim Kampf gegen den Klimawandel neue Maßstäbe setzen“, sagte Premierminister Boris Johnson, der damit ein neues Thema für die Zeit nach der Pandemie gefunden zu haben scheint. „Deshalb setzen wir uns bei der Reduzierung der Emissionen weltweit das ehrgeizigste Ziel.“ Und mit etwas Glück wird er sich auf dem UN-Klimagipfel im November in Glasgow als Vermittler eines Klima-Deals zwischen US-Präsident Joe Biden und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping präsentieren können.

Was Johnson propagiert, ist keine heiße Luft. Es wird rechtsverbindlich. Manches ist nicht ganz neu: Für die angekündigte Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel gibt es bereits ein Programm der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO. Von den Konsequenzen werden britische Bürger nicht nur beim Kauf eines Neuwagens unmittelbar betroffen sein. Ein Beispiel dafür ist die energetische Sanierung von Altbauten. Für die erforderliche Wärmedämmung müssten Eigenheimbesitzer fünfstellige Beträge aufbringen. Damit nicht genug: Ab 2033 sollen keine neuen Gasboiler mehr installiert werden. Aber Wärmepumpen sind kostspielig. Die Empfehlungen des unabhängigen Climate Change Committee (CCC), von dem das sechste „Kohlenstoffbudget“ des Landes erstellt wurde, gehen noch viel weiter: weniger Autofahrten, weniger Flugreisen, eine Reduzierung des Konsums von Fleisch und Milchprodukten um ein Fünftel bis 2030 – Johnsons Wähler dürften mehrheitlich nicht geahnt haben, worauf sie sich da eingelassen haben.

Chance verschenkt

Angesichts der weitgehenden Maßnahmen, die das CCC ins Spiel bringt, überrascht, dass Großbritannien die Chance nicht genutzt hat, sich mit dem Ausstieg aus der EU auch vom Emissionshandel zu verabschieden. Eine CO2-Steuer wäre wesentlich effizienter. Damit ließe sich zwar nicht vorgeben, um wie viele Tonnen der CO2-Ausstoß genau reduziert werden soll, doch dafür stiege das Interesse, ihn generell zu vermeiden. Stattdessen wurde zum Jahresauftakt ein eigenes Handelssystem (UK ETS) eingeführt. Die Erfahrungen mit dem 2005 eingeführten EU-ETS belegen, dass enorme Preisschwankungen auftreten können. Für die zum Erwerb von Verschmutzungsrechten verpflichteten Unternehmen steht dagegen Planungssicherheit und Kalkulierbarkeit an oberster Stelle. Schließlich planen sie für viele Jahre im Voraus. Dennoch werden sie in den kommenden Monaten verstärkt investieren, auch in den Klimaschutz. Denn bis Ende März 2023 können sie 130 % der Anschaffungskosten bestimmter Investitionsgüter vom zu versteuernden Gewinn abziehen.

Für Finanzmarktakteure, die sich auf den Handel mit Verschmutzungsrechten spezialisiert haben, ist Volatilität das Salz in der Suppe. Kein Wunder, dass „Green Finance“ zu den großen Zukunftsthemen in der City of London zählt. Seit Dezember sind die Preise für EU-Emissionszertifikate (EUAs) um knapp die Hälfte gestiegen. Die Rally rief weitere Häuser wie etwa den Rohstoffhändler Trafigura aus Singapur auf den Plan. Mehr Volatilität wird die Folge sein.