Keine allzu große Allergie mehr gegen Deutschland
Von Andreas Heitker, Berlin
Es ist nicht das erste Treffen von Giorgia Meloni und Olaf Scholz. Unter anderem haben sich beide auf der Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich schon ausgetauscht. Der Besuch der italienischen Ministerpräsidentin am Freitag in Berlin, wo sie mit militärischen Ehren begrüßt wurde, war dann aber – etwas mehr als 100 Tage nach ihrem Amtsantritt – das erste echte längere bilaterale Treffen der Chefin der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) und des sozialdemokratischen deutschen Kanzlers. Und beide versuchten, die durchaus bestehenden Meinungsverschiedenheiten möglichst niedrig zu hängen und wenige Tage vor dem wichtigen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel eher die Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Der Bruch in der italienischen Außenpolitik durch die neue rechte Regierung in Rom, den die Verbündeten in der EU zeitweise befürchtet hatten, fand auch in Berlin nicht statt.
Vor allem in der weiteren Unterstützung der Ukraine zeigten sich Scholz und Meloni weitgehend einig. Auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wollen beide noch weiter vertiefen. Der Aktionsplan, den Scholz bei einem Besuch in Rom im Dezember 2021 mit Melonis Vorgänger Mario Draghi angestoßen hatte, ist entgegen einigen Unkenrufen offenbar nicht in Vergessenheit geraten. „Wir arbeiten daran“, betonte Scholz nach dem Treffen im Kanzleramt. „Die Zusammenarbeit findet sehr intensiv statt.“
Meloni, die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung, wurde mit Blick auf frühere Zitate von ihr gefragt, ob sie nach diesem Gespräch immer noch allergisch gegen Deutschland sei. Die 46-Jährige konterte, sie könne sich überhaupt nicht erinnern, so etwas je gesagt zu haben. Es sei immer nur um die schwierige deutsche Sprache gegangen, die zu lernen sie nicht geschafft habe.
Konfliktlinien zwischen Deutschland und Italien gibt es allerdings bei zwei Schlüsselthemen, die auch beim Europäischen Rat am Mittwoch und Donnerstag ganz oben auf der Agenda stehen. Meloni war deshalb unmittelbar vor ihrer Reise nach Berlin auch in Stockholm bei Regierungschef Ulf Kristersson gewesen. Schweden hat derzeit ja die EU-Ratspräsidentschaft inne.
Zum einen wollen sich die Staats- und Regierungschefs über die EU-Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA abstimmen. Meloni zeigte sich auch in Berlin zurückhaltend bezüglich einer zu starken Lockerung der EU-Beihilferegeln – wohl wissend, dass Deutschland andere finanzielle Möglichkeiten hat, seine Unternehmen zu unterstützen. Das Niveau der Wettbewerbsfähigkeit müsse für alle in der EU gleich sein, betonte sie. Mit Forderungen nach einem neuen schuldenfinanzierten EU-„Solidaritätsfonds“ hielt sich die Regierungschefin zwar zurück. Es müsse aber mehr Flexibilität bei der Verwendung bereits vorhandener EU-Mittel geben, betonte sie. Und dabei gab es auch Unterstützung durch Scholz: Bei Mitteln aus dem Repower-Programm oder dem Wiederaufbaufonds seien in dieser Frage „schnelle Fortschritte“ möglich, erklärte der Kanzler.
Das schwierigste Thema – sowohl in den bilateralen Beziehungen als auch auf EU-Ebene – dürfte aber die Migrationsfrage bleiben. Scholz bekräftigte nach dem Austausch, wer ein Anrecht habe in Europa, müsse auch bleiben können. Es müsse auch legale Wege zur Einwanderung geben. Meloni wiederum will eine enge Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern, um bereits dort Flüchtlingsbewegungen zu stoppen. Dies sei auch eine Sicherheitsfrage, betonte sie. Fortsetzung folgt auf dem Gipfel in Brüssel.