Eröffnungsbilanz Klimaschutz

Klimapolitischer Kassensturz

Die Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz der Bundesregierung fällt ernüchternd aus. Um auf den Pfad zu den Klimazielen für 2030 zu finden, muss Deutschland den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen und dafür ausgewiesene Flächen etwa vervierfachen. 

Klimapolitischer Kassensturz

Es ist ein klimapolitischer Kassensturz, den Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) gestern in Berlin vorgelegt hat. Und die Berechnungen seines Hauses zeigen, dass Deutschland klimapolitisch derzeit über seine Verhältnisse lebt. Denn geht es auf dem eingeschlagenen Pfad weiter, wird die Bundesrepublik bis 2030 gegenüber 1990 ihre Kohlendioxidemissionen lediglich halbieren können. Vorgenommen hat sich die Vorgängerregierung auch auf Drängen des Bundesverfassungsgerichts aber ein Etappenziel von 65% und Klimaneutralität bis 2045. Auf dem aktuellen Pfad würden die CO2-Emissionen­ zum Ende der Dekade 200 Mill. Tonnen über den Zielen liegen, wie Habeck vorrechnete. Die Hälfte des Emissionsbudgets von 400 Mill. Tonnen CO2, das dann noch zur Verfügung stehen soll, wäre bereits verfrühstückt.

Ein Kassensturz kann für Aufbruchstimmung sorgen, auch wenn man das ernüchternde Ergebnis schon vorher ahnt. So darf man die Reaktionen aus der Wirtschaft und von Ökonomen auf die Eröffnungsbilanz des frisch gebackenen Klimaschutzministers deuten. Von einer schonungslosen Bestandsaufnahme war da die Rede, der sich die Industrie umstandslos an­schloss. Endlich herrsche im Wirtschaftsministerium in Sa­chen Energiewende und Klimaschutz eine realistische Sicht der Dinge, seufzten langjährige Be­obachter der Klimapolitik er­leichtert auf. Es sei überfällig, die gewaltigen Bremsklötze rund um den Klimaschutz zu entfernen und beim Ausbau der erneuerbaren Energien den Turbo einzuschalten, hieß es einhellig zu den Plänen für ein Klimaschutz-Sofortprogramm, das den Ausbau der Erneuerbaren ins Zentrum stellt. Denn die große Koalition hatte zuletzt zwar noch einmal ihre Klimaambitionen verschärft, die Umsetzung aber zusehends verschleppt.

Im vergangenen Jahr wurde laut Marktbeobachtern zum ersten Mal seit zwölf Jahren keine neue Offshore-Windkraftanlage in Deutschland gebaut, und der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch ist so stark gesunken wie noch nie seit der Verabschiedung des Er­neuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Eine Novelle des EEG soll deshalb noch vor Ostern auf den Weg gebracht werden. Dann steht der nächste klimapolitische Kassensturz an, bei dem es statt um Emissionsbudgets allerdings um Flächenbudgets für die Erneuerbaren geht. Denn allein die ausgewiesenen Flächen für Onshore-Windkraftanlagen sollen mehr als verdoppelt werden, um wieder auf den Pfad zu den Klimazielen zu finden.