Geldpolitik

Kopfzerbrechen in der EZB

Die Euro-Inflationszahlen für Mai beinhalten eine negative Überraschung für die EZB. Auch bei dem von der US-Notenbank bevorzugten Inflationsmaß gibt es keine Fortschritte. Die Zinsdebatte dies- und jenseits des Atlantiks gewinnt an Fahrt.

Kopfzerbrechen in der EZB

Kopfzerbrechen in der EZB

Kerninflation steigt überraschend an – Auch bei US-Teuerung keine Fortschritte

mpi Frankfurt

Nach den Lohndaten beinhalten auch die Inflationszahlen für Mai eine negative Überraschung für die Europäische Zentralbank (EZB). Den Anstieg der Inflationsrate von 2,4 auf 2,6% hatten Ökonomen zwar auf dem Zettel. Doch entgegen den Erwartungen ist auch die Kernrate gestiegen. Wie Eurostat am Freitag mitteilte, stieg die Teuerung ohne Berücksichtigung von Energie- und Lebensmittelpreisen von 2,7 auf 2,9%.

Die Kernrate ist für die EZB ein Indikator für den zugrundeliegenden Preisdruck. Deshalb beobachten die Notenbanker ihre Entwicklung aufmerksam. Vom Vorhaben einer ersten Zinssenkung am kommenden Donnerstag um 25 Basispunkte dürfte die hohe Kernrate die Zentralbank nicht abhalten. Sollte sie aber in den kommenden Monaten nicht spürbar nachlassen, dürfte der Spielraum für weitere Zinssenkungen in diesem Jahr kleiner werden. „Ob es zu den ursprünglich erwarteten deutlichen Zinssenkungen kommt, bleibt in Anbetracht des Anstiegs der Kerninflationsrate jetzt fraglich“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank.

Ökonomen uneins

Die weitere Entwicklung der Kerninflation wird wesentlich von der Veränderung der Teuerung im Servicesektor abhängen. Da Dienstleistungen arbeitsintensiv sind, schlägt das derzeit kräftige Lohnwachstum dort besonders deutlich zu Buche. Unter Ökonomen gehen die Meinungen auseinander, ob der Disinflationsprozess nur vorübergehend unterbrochen ist oder sich die Gesamt- und die Kernrate fürs Erste zwischen 2% und 3% einpendeln wird. Wobei die Mehrheit weitere Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung erwartet. Interessant wird daher zu sehen sein, ob die EZB in der kommenden Woche ihre Inflationsprognose etwas nach oben korrigieren wird oder nicht.

Auch die ebenfalls am Freitag veröffentlichten Inflationszahlen aus den USA signalisieren eine hartnäckig klebrige Teuerung. Das von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsmaß, der Preisindex PCE, stagnierte im April. Die Kernrate verharrte bei 2,8%, der Gesamtindex bei 2,7%. Volkswirte hatten mit dieser Entwicklung gerechnet.

Fed-Zinssenkung im September?

Dementsprechend gab es beim viel beachteten FedWatch Tool der CME Group keine große Veränderung. Dieses gibt die Wahrscheinlichkeit einer ersten Zinssenkung der Fed im September weiterhin bei rund 50% an. Die Unsicherheit bleibt also hoch.

Sollte die Fed bis zu einer ersten Lockerung aufgrund des hohen Preisdrucks noch länger warten müssen, könnte dies auch Auswirkungen auf die Geldpolitik der EZB haben. Denn die Zinspolitik der wichtigsten Notenbank der Welt wirkt sich auch auf die Wirtschaftsdaten in Europa aus. Offen ist jedoch, ob die inflationären oder die deflationären Effekte für die Eurozone überwiegen würden.

Berichte Seite 7
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