Schwache Kreditvergabe heizt EZB-Zinsdebatte an
Maue Kreditvergabe heizt EZB-Debatte an
Geldmenge schrumpft deutlich stärker – Forderung nach höherer Mindestreserve für Banken
Die Kreditvergabe und die Geldmenge im Euroraum deuten auf eine weiter abkühlende Konjunktur hin. Der beispiellose Zinserhöhungskurs der EZB hinterlässt deutliche Spuren in der Wirtschaft. Dennoch dominieren am Mittwoch die Stimmen aus der EZB, die sich eine weitere Zinserhöhung vorstellen können.
mpi Frankfurt
Die kleinste Zunahme von Bankkrediten an Unternehmen seit 2015 und eine zweistellig schrumpfende Geldmenge M1 im Euroraum verstärken die Sorge um die Konjunktur in der Währungszone und heizen die Debatte um die Auswirkungen der bisherigen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die Realwirtschaft an. Die Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik im EZB-Rat (Tauben) dürften die Daten als Beleg dafür sehen, dass das aktuelle Zinsniveau bereits ausreichend ist, um die Wirtschaft abzukühlen und das Inflationsziel von 2% mittelfristig zu erreichen. Währenddessen meldeten sich mehrere Vertreter einer restriktiven Geldpolitik (Falken) zu Wort, dass der Zinsgipfel nach zehn Zinserhöhungen in Folge noch nicht unbedingt erreicht ist.
Wie die EZB am Mittwoch mitteilte, legte die Kreditvergabe der Banken in der Eurozone an Unternehmen außerhalb der Finanzbranche im August nur um 0,6% im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Dies ist der kleinste Anstieg seit dem Jahr 2015 und eine deutlich geringere Zunahme als noch im Vormonat. Im Juli hatte der Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat noch 2,2% betragen. Auch bei der Vergabe von Krediten an Privathaushalte werden die Banken restriktiver.
„Das sind keine guten Nachrichten für die Wirtschaft der Eurozone, die bereits stagniert und zunehmend Anzeichen von Schwäche zeigt“, sagte ING-Ökonom Bert Colijn. „Wir gehen davon aus, dass die allgemeine Flaute aufgrund der Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik auf die Wirtschaft anhalten wird.“ Ähnlich äußerte sich Volkswirt Daniel Kral von Oxford Economics. „Wir gehen jetzt davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal wohl schrumpfen und im letzten Quartal des Jahres stagnieren wird.“
Geldmenge schrumpft deutlich
Auch die Euro-Geldmenge, die die EZB ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte, deutet auf eine schwache wirtschaftliche Entwicklung hin. Die Geldmenge M1, die aus Bargeldumlauf und Sichteinlagen von Nichtbanken besteht, schrumpfte im August um 10,4% zum Vorjahresmonat. Im Juli hatte der Rückgang nur 9,2% betragen. M1 gilt Ökonomen als Indikator für die Konjunkturentwicklung. Auch bei der breiter gefassten Geldmenge M3 beschleunigte sich der Rückgang. Sie schrumpfte im August um 1,3%, nach 0,4% im Juli.
Die Abkühlung der Konjunktur durch eine geringere Kreditvergabe ist ein Ziel der EZB, um den Preisdruck in der Eurozone zu senken. Ökonomen und auch die Mitglieder des EZB-Rats diskutieren darüber, ob die bisherigen Zinserhöhungen bereits ausreichend sind, um das Inflationsziel von 2% zu erreichen. Mancher Volkswirt hält die bisherige Geldpolitik angesichts der verzögerten Wirkung von Zinserhöhungen sogar bereits für zu straff.
Wie stark die Auswirkungen der Geldmenge auf die Entwicklung der Inflation noch sind, wird unter Ökonomen diskutiert. Das Zusammenspiel von Geldmenge und Teuerung gilt als komplex. „Der monetäre Preisdruck lässt nach“, kommentierte Helaba-Ökonom Ulrich Wortberg die jüngsten Zahlen.
Falken melden sich zu Wort
Dennoch waren es die Falken, die am Mittwoch den Ton in der öffentlichen geldpolitischen Debatte angaben. EZB-Direktor Frank Elderson sieht weiterhin Aufwärtsrisiken bei der Inflation. Man könne „nicht unbedingt“ sagen, dass das Zinsplateau bereits erreicht sei. Möglicherweise wieder steigende Preise für Lebensmittel und Energie sowie die Auswirkungen des Klimawandels könnten den Preisdruck wieder verstärken, sagte er am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur „Market News International“.
Bereits am Dienstag äußerte sich Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann auf einer Bloomberg-Veranstaltung ähnlich. „Es gibt Schocks, die uns zwingen könnten, höher zu gehen“, sagte er. Am Mittwoch sprach er sich gegenüber der „Wirtschaftswoche“ dafür aus, die Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der EZB deutlich auf „5 bis 10%“ zu erhöhen. Derzeit müssen Geschäftsbanken im Euroraum eine Mindestreserve von 1% ihrer Kundeneinlagen bei der Zentralbank halten. Dafür erhalten sie von der EZB seit kurzem keine Zinsen mehr.